Der Frühling naht in heitern Lüften wieder,
Ihm jauchzt entzückt die bräutliche Natur,
Er streuet Blüthen auf die Bäume nieder,
Und Blumen auf die Flur.
Die Lämmer hüpfen fröhlich auf der Weide,
Im Erlenschatten singt die Nachtigall;
Von Thal und Hügel tönt der lauten Freude
Beseelter Wiederhall.
Doch dieses Herz, in trübem Gram versunken,
Ist abgestorben jeder Freud' und Lust,
Denn sterbend glimmt der letzte Lebensfunken
In meiner bangen Brust.
Mich faßt der furchtbar drohende Gedanke,
Wenn diese Blüthe welkt, bist du nicht mehr,
Entstellt und müde, wie ein Schatten, wanke
Ich in der Welt umher.
Mich überfällt des nahen Todes Grauen,
Mich schreckt die Luft, die schmeichelnd mich umfließt;
Schon ist der Baum zu meinem Sarg' gehauen,
Der meinen Staub verschließt.
Mich peinigt selbst der Schlaf mit neuen Qualen,
Mir zeigt der Traum das furchtbar off'ne Grab.
In jene Nacht, wo keine Sterne strahlen,
Reißt mich der Tod hinab.
Nun fahret wohl, ihr grünbelaubten Hügel,
Wo ich so oft in stillem Schatten saß,
Noch nicht umrauscht vom schwarzen Todesflügel,
Der falschen Welt vergaß.
Nun fahret wohl, ihr freundlichen Gewalten,
O Lieb' und Hoffnung, die mit sanfter Macht
So lange meinen Geist empor gehalten
In trüber Kummernacht.
Leb' wohl, du treues Weib! Die Götter wollen,
Mein sinkend Haupt, des Orkus Stimme ruft,
So früh muß ich die Schuld des Staubes zollen,
Dem strengen Bann der Gruft.
Gedenke mein, wenn lange schon vergessen
Mein Nam' erlischt am kalten Leichenstein!
O du, die ganz mein liebend Herz besessen,
Iduna, denke mein!
Vielleicht, daß auch noch unten bei den Todten
Erinn'rung lebt, und mein verlaß'ner Geist,
Bis über dich das Schicksal auch geboten,
Der strenge Styx umkreist.
Und ängstlich harret an dem öden Strande,
Bis wieder ihm dein holdes Bild erscheint,
Und uns'rer Liebe früh zerriß'ne Bande
Elysium vereint.
Aus: Gedichte von Neuffer
Erstes Bändchen Cabinets-Ausgabe
Hildburghausen u. New York
Druck und Verlag vom Bibliographischen Institut 1829 (S. 121-123)