An die Unbekannte

Wo such' ich dich, o du, die meinem Herzen
Ein Gott erkor?
Wo finden meine Klagen, meine Schmerzen
Dein lauschend Ohr?

Wann wird der Lieb' unendliches Verlangen
Durch dich gestillt?
Wann wird mein Auge freudeweinend hangen
An deinem Bild?

In welchem Thal, auf welchen schönen Pfaden
Blühst du heran?
Ihr Nymphen! sagt, ihr gütigen Dryaden!
Den Ort mir an.

Und hielten wilde Ströhm' und Felsenhügel
Sie fern von mir;
Die Liebe trüg' auf raschgeschwung'nem Flügel
Mich schnell zu ihr.

Und rauscht' um sie mit hochgeschwellten Wogen
Der Ocean;
Ich dräng' hindurch, von Sehnsucht fortgezogen,
Auf leckem Kahn.

Auf ihrer Zauberinsel müßt' ich landen;
Und drohte dort
Mir Syrt' und Sturm, und müßt' ich hilflos stranden
Am nahen Port.

Und kämpften Minotauren mir entgegen
Mit Schwerdt und Speer;
Siegprangend in der Liebe Allvermögen
Zög' ich einher,

Und fände sie, von Staunen hingerissen,
Im Myrtenhain,
Und schlürft' in langen, seelenvollen Küssen
Den Himmel ein. -

Doch, armes Herz! vergessen, ach, vergessen
Mußt du vielleicht
Ein Glück, das dir kein Gott noch zugemessen,
Von Fleh'n erweicht.

Ich muß der Sehnsucht heiße Flammen nähren
Mit stummem Schmerz;
Noch immer muß sein schönstes Loos entbehren
Mein darbend Herz.

Ich muß beglückter Liebe Freuden sehen,
Nur ich allein
Soll unter Menschen, die mich nicht verstehen,
Ein Fremdling seyn.

Der Liebe Seufzer ziehen einsam wieder
In mich zurück;
Und lastend beugt mein Haupt zur Erde nieder
Das Mißgeschick.

Hinunter zu den Todten will ich fahren;
Was soll ich hier?
Vielleicht schlägt bey den Schatten, die einst waren,
Ein Herz noch mir!

Vielleicht daß einst mir erst am Lethestrande
Das Bild erscheint,
Nach dem umsonst im heitern Lebenslande
Mein Auge weint.

Aus: Gedichte von Christian Ludwig Neuffer
Stuttgart bei J. F. Steinkopf 1805 (S. 183-185)

Collection: 
1829

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