Schnee-Lenore

Es klingeln und schweben
Die Schlitten durchs Tor,
Das lustbare Leben
Lockt alle hervor.
Feldwärts allein
Im Kämmerlein
In Zöllners Haus
Schönliebchen schaut zum Fenster hinaus.

Sie starret und harret
Des Grafen so lang,
Sie harret und starret,
Es wird ihr so bang.
Er wollt' sie führen
Nach vielen Schwüren
Zum Tanz aufs Schloß -
Schönliebchen erblickt sein schwarzes Roß:

"Wie herrlich der Berber,
Der Schlitten wie blank,
Und drinnen der Werber,
Der macht mir's zu Dank!
Des armen Knaben,
Der mich wollt' haben,
Ich spotte sein."
Schönliebchen den Grafen läßt herein.

"Du hast mich erlesen
Und kommst doch so spät,
Dein himmlisches Wesen
Mein Herz nicht errät.
Zur Nachtzeit immer,
Bei Tage nimmer
Fährst du daher."
""Schönliebchen, ich eilte wahrlich sehr!""

Im farbigen Schlitten
Mit Blumen bemalt,
Sie kommen geglitten,
Es glitzert und strahlt.
Im Winterkleide
Liegt weiß die Heide,
In Freiers Arm
Schönliebchen in Muff und Zobel warm.

Und bald auf der Reise
Aus finsterer Höh'
Umwirbelt sie leise
Ein eisiger Schnee.
Er bleibt ihr stocken
In allen Locken
Und schwillt daran.
""Schönliebchen, was schaust du mich so an?""

Wie altert der Puder
Das Dämchen so jung,
Ihr Köpfchen belud er
Mit Flocken genung.
Ein flinker Weber,
Das Schneegestöber,
Umwebt galant
Schönliebchen mit Spitzen aus Brabant.

Sie fliegen und sausen
Die Heide dahin,
Sie siehet mit Grausen
Die Wälder entfliehn -
Und Brücken über
Und Seen hinüber
Geht es im Sturm.
""Schönliebchen, dort steigt schon des Schlosses Turm.""

Und mehr sie verstecket
Die schaudernde Hand,
Das Mondlicht bedecket
Ihr fliegend Gewand.
Ihr Mantel schimmert,
Ihr Häubchen flimmert,
Schneeweiß, steinalt,
Schönliebchen im Pelze wird so kalt.

Es nicken und blitzen
Die Weiden herauf,
Sie haben auch Mützen
Und Spitzen darauf.
Sie drehen sich stille
In weißem Tülle
Und tanzen fein.
""Schönliebchen, nun seh' ich Kerzenschein.""

Da sind schon die Dächer
Voll flockigem Tuff,
Sie fährt mit dem Fächer
Heraus aus dem Muff.
""So jung an Jahren
Mit schneeweißen Haaren,
Hörst du zumal,
Schönliebchen, die Geigen nah im Saal?""

Sie steigt aus dem Schlitten
Und schüttelt sich leis -
Da stand sie inmitten
Von Gräbern so weiß.
Im Kirchhof waren
Sie vorgefahren -
Altmütterlein,
Schönliebchen, wer war der Freier dein? -

Zween Wandrer trafen
Das Mütterlein alt,
Da hat es geschlafen
Am Boden so kalt.
Ihr Land sie nannte,
Die Gegend kannte
Im Schloß man kaum -
Altmütterlein war es wie ein Traum.

Ein jedes sie scheute,
Man fuhr sie nach Haus,
Da zogen die Leute
Zum Frühling hinaus,
Kein Zöllner kannte,
Die man ihm nannte,
Als Tochter sein: -
Altmütterlein schlief auf ewig ein.

Collection: 
1909

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