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Sonett XI. William Shakespeare 1840 German

So schnell du welkst, so schnell wächst du von Neu’m
In deinem Sprößling, seit du ihn geboren;
Das frische Blut, das jung du wirst verleih’n,
Heißt dein’s, wenn du die Jugend auch verloren.
5 Darin lebt Zuwachs, Weisheit, Lieblichkeit,
Darohne Alter und...

Sonett XII. William Shakespeare 1840 German

Zähl’ ich die Uhr, die uns die Zeit verkündet,
Seh’ ich, wie in die Nacht der Tag versinkt,
Wie schnell des Veilchens Blüthenzeit verschwindet
Und auf dem schwarzen Haar das Silber blinkt;
5 Seh’ ich, wie von dem Baum die Blätter flieh’n,
Die kaum die Heerde...

Sonett XIII. William Shakespeare 1840 German

O wärest du dein selbst! doch, Lieb, du bist
So lange, als du hier dir lebst, nur dein;
Drum magst du rüsten dich zu solcher Frist,
Und Anderen dein süßes Bild verleih’n.
5 So wird die Schönheit, die zum Lohn du hast,
Ganz unbegrenzt sein, und du wirst von Neu’...

Sonett XIV. William Shakespeare 1840 German

Nicht in den Sternen les’ ich das Geschick,
Doch hab’ ich ihre Deutung wohl erkannt;
Nicht zwar verkünd’ ich gut und böses Glück,
Noth, Theurung und der Jahreszeiten Stand;
5 Auch sag’ ich auf Minuten nicht voraus,
Ob Regen, Donner, oder Wind uns trifft;...

Sonett XIX. William Shakespeare 1840 German

Des Löwen Klauen stumpfe, grimme Zeit,
Die Erde laß verschlingen ihre Brut,
Entwaffne du des Tigers Grausamkeit,
Erstick’ den Phönix in des Feuers Gluth.
5 Mag deiner Flucht entsprießen Freud’ und Leid;
Die Welt mit Allem, was sie Schönes hat,
Verfallen...

Sonett XL. William Shakespeare 1840 German

Nimm all mein Lieben, Lieb, ja es sei dein,
Was mehr, als du gehabt, gewinnest du!
Nicht wahre Liebe, Lieb kann ja das sein,
Was mein, war dein, eh’ das du nahmst dazu;
5 Wenn mir zu Lieb’ mein Lieben dir ist werth,
Tadl’ ich dich nicht, denn du brauchst meine...

Sonett XLI. William Shakespeare 1840 German

Wenn Freiheit dich zu leichtem Fehl verführt,
Wenn aus dem Herzen dir mein Bild entschwindet:
Dir, da du jung und schön, Verzeih’n gebührt,
Da leicht Versuchung, dich, verfolgend, findet.
5 Sanft bist du, leicht gewonnen darum schon,
Schön bist du, darum der...

Sonett XLII. William Shakespeare 1840 German

Daß du sie hast, nicht kümmert das mich sehr,
Obwohl von Herzen ich sie treu geliebt;
Daß sie dich hat, das drückt mich wahrlich mehr,
Ein Schmerz, der meine Liebe schwer betrübt.
5 Die ihr mich kränkt, also entschuld’ ich euch:
Du liebst sie, weil du weißt,...

Sonett XLIII. William Shakespeare 1840 German

Im tiefsten Schlafe seh’ am besten ich,
Denn Tags begegn’ ich nur gemeinen Dingen;
Im Traume schauen meine Augen dich,
Die dunkelhell hell in das Dunkle bringen;
5 Du, dessen Schatten Schatten leuchten macht,
Wie würde nur dein Schatten uns entzücken
Am...

Sonett XLIV. William Shakespeare 1840 German

Mein träger Körper, wär’ er nur Gedanken,
Nicht hielte mich des Raumes Herrschaft auf;
Und trotz des Raums und der Entfernung Schranken
Nähm’ ich zu dir im Fluge meinen Lauf.
5 Nicht hemmt’ es mich, wenn, noch so weit verbannt,
Ich weilte an der Erde fernstem...

Sonett XLIX. William Shakespeare 1840 German

Dereinst – nie mög’ uns kommen solche Zeit! –
Wann zürnend du mit meinen Fehlern schmälest,
Wann deiner Liebe Summe, mir geweiht,
In letzter Rechnung kalt du überzählest;
5 Wann fremd dein Blick an mir vorüberschweift,
Du kaum mich grüßt mit deiner Augen Sterne...

Sonett XLV. William Shakespeare 1840 German

Die Luft und reines Feu’r, die beiden andern,
Sie sind bei dir, wo immer auch ich bin.
Mein Denken, mein Begehren, beide wandern
Anwesend – fern in schnellem Flug dahin.
5 Wenn diese leichtern Elemente scheiden,
In Liebesbotschaft zu dir hingeschickt,
So...

Sonett XLVI. William Shakespeare 1840 German

Mein Aug’ und Herz im schweren Kriege steh’n,
Wie deines Anblicks Recht sie theilen können;
Nicht gönnt das Aug’ dem Herzen, dich zu seh’n,
Dem Auge will das Herz dies Recht nicht gönnen.
5 Es sagt das Herz: in ihm ja liegest du
(Ein Raum, in den des Auges...

Sonett XLVII. William Shakespeare 1840 German

Mein Herz und Auge, sie sind jetzt vereint,
Und jedes strebt, das andre zu beglücken.
Wenn dich zu seh’n, mein Aug’ in Sehnsucht weint,
Wenn Liebesbängen mir das Herz erdrücken:
5 Dann malt dem Aug’ sich deiner Liebe Bild,
Das Herz wird Gast bei dem gemalten...

Sonett XLVIII. William Shakespeare 1840 German

Wie hab’ ich, als mein Weg mich fortgeführt,
Doch alles Spielwerk sorgfältig verschlossen,
Damit, zu meinem Brauch es unberührt
Bewahrt, nicht von der Falschheit würd’ genossen!
5 Doch – gegen den Juwele Spielwerk sind –
Mein höchster Trost, mein größter Kummer...

Sonett XV. William Shakespeare 1840 German

Bedenk’ ich es, daß Alles, was da lebt,
Nur eine kurze Zeit vollkommen bleibt,
Und was in diesen weiten Grenzen schwebt,
Der Sterne unerforschter Wille treibt;
5 Schau’ ich den Pflanzen gleich die Menschen an,
Gepflegt und bald geknickt von einer Luft,
...

Sonett XVI. William Shakespeare 1840 German

Doch warum kämpfst du nicht in ernstrer Schlacht
Mit dieser blutigen Tyrannin Zeit?
Und schützest dich vor ihr mit größrer Macht,
Als je mein unfruchtbarer Reim dir beut?
5 Du stehest jetzt auf deines Glückes Höh’n,
Und manches Mädchens Garten, unbebaut,...

Sonett XVII. William Shakespeare 1840 German

Wer würde künftig meinem Liede trauen,
Wär’ es mit deinem ganzen Werth erfüllt;
Jetzt ist es gleich dem Grabmal anzuschauen,
Verbirgt dich halb und zeiget halb dein Bild.
5 Könnt’ ich besingen deiner Augen Pracht,
Erzählen deine ganze Lieblichkeit,
Wohl...

Sonett XVIII. William Shakespeare 1840 German

Soll ich vergleichen dich dem Sommertag?
Nein, nicht so lieblich ist er und so mild;
Wie oft der Sturm des Frühlings Knospen brach,
Und Sommer weilt nur flüchtig im Gefild!
5 Oft scheint des Himmels goldnes Aug’ zu heiß,
Oft trübet sich sein strahlend Angesicht...

Sonett XX. William Shakespeare 1840 German

Ein Frau’ngesicht gemalt von der Natur
Hast du, o Meister-Meistrin meiner Lust;
Ein zartes Frauenherz, das nie die Spur
Von Falschheit kannte, schlägt in deiner Brust;
5 Und hellre Augen ohne falschen Blick,
Vergoldend Alles, was sie sich betrachten;
Der...