O nein, ich kann nicht so finster es seh'n:
Ich liebe das Leben, das Leben ist schön.
Ich liebe des Sommers hellgoldige Macht,
Ich liebe des Winters weißglänzende Pracht;
Ich liebe das Fluthen im hastigen Strom,
Der grünenden Wälder tiefheiligen Dom,
Das Brausen der Lüfte, das Flüstern im Ried,
Der Vögel laut jubelndes, schmetterndes Lied;
Den ewigen Wechsel von Kommen und Geh'n,
Das Werden und Sinken, das frische Ersteh'n.
Ich liebe der Menschen bunt wechselnd Gewirr
Und alle der Zungen vieltönig Geschwirr.
Ich liebe die nimmerversagende Kraft,
Die immerdar wirket und immerdar schafft;
Den Geist, der mit rohen Gewalten kühn ringt,
Und dich, o Natur, zum Unterthan zwingt,
Daß dienend du seinem Willen dich beugst,
Und deine Fülle der Schätze ihm reichst. -
Ich lieb' ihn, den Menschen, so stolz bewußt,
Mit der schöpf'rischen Kraft in der eignen Brust.
Was mächtig und heiß ihm die Seele durchwallt,
Er weiß es zu bannen in Form und Gestalt.
Es rauscht ihm in Tönen, er weckt es aus Stein,
Das Schöne, das ewig sein Traumbild wird sein.
Ich lieb' ihn auch jubelnd in harmloser Lust,
Wenn er jauchzend des frohen Genießens bewußt,
Das er trinkt aus jedem sonnigen Schein,
Das ihm winkt aus der ärmsten Blume am Rain.
Ich lieb' seiner Jugend begeisterten Schwung,
Seines Alters vielsüße Erinnerung,
Und all' das Gewoge von Glück und von Schmerz,
Wie es einzig nur kennet das menschliche Herz.
Ja, ich lieb' auch den Kampf von Bös und von Gut,
Dies Steigen und Fallen der geistigen Fluth.
Kein Herz ja im weiten Erdenkreis,
Das nicht von der stürmischen Brandung weiß,
Das nicht des Ringens und Strebens bewußt,
Die der göttliche Hauch ihm gelegt in die Brust.
Kein Herz auf der Welt ist so nüchtern und kalt,
Das einmal die Liebe nicht heiß hat durchwallt,
Der wärmende Strom, der sie alle durchrinnt,
Erquickend den Greis, wie es nährte das Kind,
Der das reinste Gold des Glückes enthält,
Und auch alle Thränenperlen der Welt.
O Liebe, du mächt'ge und süße Gewalt,
So lieblich dem Herzen in jeder Gestalt,
Daß, wenn auf der Welt nichts schön mehr blieb,
So wäre sie schön noch durch dich, o Lieb'!
O nein, ich kann nicht so finster es seh'n
Und sage noch ein Mal: das Leben ist schön, -
Ob noch so flüchtig vorüber es rinnt,
Daß Tage wie eilende Wellen nur sind.
Ja, Zeit! auch du bist Gabe uns hold;
Dein Gestern, dein Heute, dein Morgen entrollt,
Und jede Minute den Stempel doch trägt,
Den Gottes Gerechtigkeit für sie geprägt.
Bald dämpfend das Glück, bald lindernd das Leid,
Umspülst du so reich uns, so kosend, o Zeit!
Du trägst uns unmerkbar, auf schaukelnder Bahn
Zum Ziele, zum Hafen den schwankenden Kahn!
Das Schönste am Leben, daß dann auch ein Tag,
Wo endlich verrinnet sein Wogenschlag,
Wo nach den Stürmen der irdischen Zeit
Uns aufnimmt ein Meer der Ewigkeit.
O nein, ich kann nicht so finster es seh'n
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