O geh' nicht in den frischen Mai
Nach einer bitt'ren Trennungsstund'!
O geh' nicht in den frischen Mai,
Wenn du ein Weh' im Herzensgrund!
Denn jeder Vogel, der dir singt,
Denn jedes Reis, das sproßt und blüht,
Ein jeder Hauch, der zu dir dringt,
Weckt dir ein Echo im Gemüth.
Es ist ein wundersüßes Weh'n,
Das leis' von Blüth' zu Blüthe schleicht;
Es ist ein Kosen und Versteh'n,
Wie wenn sich Lieb' zu Liebe neigt.
Ein Reichthum ist es und ein Freu'n,
Als sei nun nichts mehr arm und kalt;
Ein jugendliches Sicherneu'n,
Als bleibe nichts mehr trüb' und alt:
Als ob nun Himmel, Flur und Au'n
Ein sonn'ger Rausch von Glück umfing'!
Doch hüte dich, es anzuschau'n,
Wenn dir ein Glück grad' unterging.
Kehr' lieber dann in's Stüblein ein,
Und beug' dich über Buch und Schrift;
Es schläft das Weh' wohl leise ein,
Wenn thätig sich der Geist vertieft.
Geh' lieber dann zur Kirche still,
Und kniee vor dem heil'gen Schrein:
Da denkst du wohl: "Wie Gott es will!"
Und Friede ziehet bei dir ein.
Doch draußen gibt es dich nicht frei:
Die blühn'de Lust und dann dein Schmerz.
Geh' so nicht in den frischen Mai,
Sonst bricht vor Sehnsucht dir das Herz.