Nur einmal noch!

O nicht zu nennen und zu tragen
Ist dieses Meiden und Entsagen
In jeder Stunde Qual und Beben,
Nicht sterben können und nicht leben!

Nur einmal noch möcht' ich sie sehen
Und dann für ewig untergehen,
Nur einmal noch an's Herz sie pressen,
Dann aber taumeln in's Vergessen.

Das braune Haar, die bleichen Wangen
Die Hände, die so sanft umfangen,
Die Stirn voll Wehmuth und Entzücken
An meine Brust noch einmal drücken.

Nur einmal noch möcht' ich es hören
Ihr heitres Flehn und Liebeschwören,
Nur einmal noch in sel'gen Peinen
An ihrem schönen Herzen weinen.

Armselig Herz, voll Blut und Wunden
Am harten Flammenpfahl gebunden.
O fleh den Herrn: auf deinen Steigen
Sie nur noch einmal dir zu zeigen.

Ob auch im Traum! Auf neuen Schwingen
Wird sich hinan die Seele ringen
Wie Märtyrer beim Palmenfächeln
Noch im Verscheiden wirst du lächeln.

aus: Gedichte von Alfred Meißner
Zweite stark vermehrte Auflage
Leipzig Friedrich Ludwig Herbig 1846

Collection: 
1846

More from Poet

  • Ich war ertrunken in des Todes Wogen
    Und wieder auferwacht im ew'gen Lichte,
    Rings um uns stand die Wahrheit der Gedichte -
    Ich sah mit dir herab vom Himmelsbogen.

    Da in der Tiefe kam ein Stern gezogen,
    Ein Stern, zertrümmert...

  • Ich träumte lang und war der Schmerzen Beute
    Ich bin erwacht und fühle mich genesen,
    Ich harre dein – wann kommst du süßes Wesen?
    Schon hallt von Dom das stille Nachtgeläute.

    Sieh wie mein Stübchen prangt! heut Morgens streute
    ...

  •  
    Gebrochnes Herz, zerriss'nes Leben,
    Gefallner Engel, stumm und blaß,
    Dem ich an Rosen wollte geben,
    Was eine junge Brust besaß;
    Geliebtes Unglück schöner Tage,
    Geknickte Lilje, irrer Geist,
    Der heute...

  • (An H.)

    Eine Silberlichtspur folgt dem Kahn
    In der stillen Nacht auf seiner Bahn -
    So ließ dein Erscheinen eine helle
    Spur in meines Lebens dunkler Welle.

    Jene Spur, die in den Wassern ruht,
    Wird verschwinden mit...

  • Du, meine schöne junge Rose,
    Die mir an's Herz das Schicksal warf,
    Daß nun das Herz, das hoffnungslose,
    Nicht mehr in sich verzagen darf,

    Du bringst mir meinen Frühling wieder,
    In frische Purpurglut getaucht,
    Es ist...