Unterm Apfelbaum

Lieschen kletterte flink hinauf
Bis in die höchsten Äste,
Fing in der Schürze die Äpfel auf
Ihrer Mutter zum Feste.

Ich lag unten, verliebt und faul,
Auf dem Rücken im Grase;
Mancher Apfel fiel mir ins Maul,
Mancher mir auf die Nase.

Jetzt stand Lieschen auf starkem Ast,
Schelmisch sah sie hernieder;
Ihres Leibes liebliche Last
Wiegte sich hin und wieder.

Innig umschlungen hielten sich
Splitternackt ihre Füße,
Taten sich auf und befühlten sich –
Winkten mir tausend Grüße.

Durch das Röckchen sandte der Tag
Seine goldenen Strahlen,
Was darunter geborgen lag,
Farbenprächtig zu malen.

Schimmernd rings um die weiße Haut
Wob sich gedämpfte Helle;
Welcher Meister hat je gebaut
Prächtiger eine Kapelle.

Kindlich faltet’ ich da die Händ’,
Forderte heiß und brünstig:
Was kein irdischer Name nennt,
Werde dem Sünder günstig.

Sieh, und am nämlichen Abend schon,
Tief in die Kissen gebettet,
Wurden der kindlichen Bitte zum Lohn
Leib und Seele gerettet.

Collection: 
1905

More from Poet

  •           

    Das Herz so voll, der Kopf so leer,
    Ich finde nichts als Worte;
    Sie tanzen auf, sie taumeln her,
    Und stets am falschen Orte.

    Das find’t sich nicht, das reimt sich nicht;
    Nur wirre Klagetöne.
    Das gibt mir ewig kein Gedicht
    An...

  •                     I

    Warum drängst du dich in meine Träume?
    Warum hemmst du meiner Schritte Lauf?
    Warum füllst du alle Himmelsräume,
    Blick’ ich nächtens zu den Sternen auf?

    Stör’ ich deiner Seele heil’gen Frieden,
    Warum machst du, Mädchen, dich so...

  •      

    Sieh die taufrische Maid,
    Erst eben erblüht;
    Durch ihr knappkurzes Kleid
    Der Morgenwind zieht.

    Wie schreitet sie rüstig,
    Jubiliert und frohlockt,
    Und ahnt nicht, wer listig
    Unterm Taxusbusch hockt.

    Der allerfrechste...

  • Wir waren Philister und merkten es, wie
    Die Kräfte des Geistes erschlafften;
    Da warfen wir uns auf die Philosophie,
    Die tiefste der Wissenschaften.

    Da haben wir gründlich uns eingeprägt
    Die Sprüche der großen Gelehrten;
    Und was man im Fleisch und im...

  •                

    Zum Wassertrinker bin ich nicht geboren,
    Das kann euch meine edle Muse zeigen;
    Sie singt beim Wein und fällt in tiefes Schweigen,
    Wenn sich der letzte Schluck im Bauch verloren.

    Dem Wasser hab’ ich ew’gen Haß geschworen,
    Weil ihm der...