Die Rosen blühten, du stilles Kind

Die Rosen blühten, du stilles Kind,
Zum ersten Male. Wir waren
Im Garten allein, es spielte der Wind
Mit deinen goldbraunen Haaren.

Und eine Locke flog leicht zurück,
Ich haschte sie, als wir gingen,
Da war es, als hielt' ich das Glück, das Glück
Fest an den goldnen Schwingen.

Da glaubt' ich, es bliebe nun immerdar
Mein eigen, was ich genommen,
Es würde mein Leben sonnenklar -
Wie ist es anders gekommen.

Ein Junitag nun wieder lacht,
Ein Tag voll Duft und voll Schimmer,
Die Rosen blühn in tiefer Pracht,
Doch du gingst fort für immer.

Der Stern des Glücks versank im Land,
Und über den Hoffnungsmüden
Zog eine schmale Nonnenhand
Betend ein Kreuz im Süden.

Aus: Gesammelte Werke
von Prinz Emil von Schoenaich-Carolath
3. Band Gedichte
Leipzig G. J. Göschen'sche Verlagsbuchhandlung 1907

Collection: 
1878

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