An ...

Ich sah dich still durch meine Jugend schweben,
Sie sagten All', du sei'st herabgekommen
Aus bess'rer Welt, zu leuchten meinem Leben.
Es war ein Traum - Gott hat dich mir genommen.

Ich will mein Leben ohne Groll vollenden,
Will Gutes thun nach Kräften und in Treuen,
Mit festem Blick, mit nimmermüden Händen,
Und will im Stillen deines Glücks mich freuen.

Ich will dir nah' sein, ruhig, unbefangen,
Ein treuer Freund. Du sollst es nie erfahren,
Wess' Art der Sturm, der durch mein Herz gegangen -
Und einst, vielleicht nach langen, langen Jahren,

Da kommt ein Tag wohl, der so recht vor allen
Die Seele stimmt zu wehmuthsvollen Fragen,
Ein Spätherbsttag, an dem die Blätter fallen
Und Regentropfen an die Fenster schlagen.

Du bist allein. Es hat ein tiefes Sinnen
Dein Aug' verdunkelt, das geliebte, frohe,
Der Nordwind braust um deines Schlosses Zinnen,
Und im Kamine blitzt und springt die Lohe.

Du aber träumst. Du denkst vergang'ner Tage,
Und deine Hand, die kleine, goldbereifte,
Umspannt ein Buch. Es ist zu einer Frage
Halbauf dein Mund, der rothe, feingeschweifte.

Er wölbt sich herb und flüstert immer wieder:
"Wer trägt wohl Schuld an so viel großen Gluten,
Wem singt er all' die hoffnungslosen Lieder,
Wer ist die Frau um die er muß verbluten?"

Aus: Lieder an eine Verlorene
von Prinz Emil von Schönaich-Carolath
Stuttgart Leipzig Eduard Hallberger 1878

Collection: 
1878

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