Mein Lieb, gedenkst du der Zeiten

Mein Lieb, gedenkst du der Zeiten,
Wo das Herz uns vor Sehnsucht schwoll,
Wenn fern aus des Waldes Weiten
Der Ruf des Kukuks scholl?

Wir saßen auf moosigem Steine
Beisammen, Hand in Hand,
Es lachte im Maienscheine
Das morgenfrische Land.

Du sprachst mit der süßen Stimme
Von Allem, was groß und schön,
Von Glück und von ewiger Treue,
Von Liebe und Wiederseh'n -

Vorbei sind die goldenen Tage
Voll Frühling und Sonnenschein,
Wo du mir so süß gelächelt
In's blutende Herz hinein.

Wohl lacht mir so schön wie immer
Des Frühlings thaufrische Flur -
Die Augen doch meines Engels
Seh' ich im Traume nur.

Aus: Lieder an eine Verlorene
von Prinz Emil von Schönaich-Carolath
Stuttgart Leipzig Eduard Hallberger 1878

Collection: 
1878

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