Du melancholisches Römerkind

Du melancholisches Römerkind,
Wie könnte ich je vergessen,
Daß deine Augen so dunkel sind,
Viel dunkler als die Cypressen,

Daß dein Mund so schmerzlich brennend küßt
Wie die Latinersonne,
Daß du selber viel schöner und süßer bist
Als eure schönste Madonne?

Doch siehe - schon sind verblüht und blaß
Die Rosen der Romagna,
Und im Herbstwind säuselt das welke Gras
Weit über der Campagna.

Es weht ein Hauch über's wälsche Meer
So kühl wie Schneegetriebe,
Ich glaube, er kommt aus Deutschland her
Von meiner alten Liebe.

Die Blätter geh'n, und ich gehe auch,
Wir müssen scheiden, wir Zweie ...
Mein Herz ist ein wilder Rosenstrauch,
Blühte einmal nur, im Maie.

Was ich gefunden dereinst bei dir,
Ging schnell und früh zu Grabe,
Und wie im Traume nur ist es mir,
Daß ich geküßt dich habe ...

Es rinnt der Regen, es saust der Wind,
Es rauschen die alten Cypressen -
Du melancholisches Römerkind,
Du wirst mich bald vergessen.

Aus: Lieder an eine Verlorene
von Prinz Emil von Schönaich-Carolath
Stuttgart Leipzig Eduard Hallberger 1878

Collection: 
1878

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