Das 16. Lied Der Schäffer beklagt sich bey seinem Abschied der ungetreuen Rosielis voriger Gunst/ aber ietziger Ungnade

1.
Filidor gieng umb die Wiesen/
Wo der feiste Schmergel stand/
An den Philyrenen Strand/
Wie er pflegte sonst vor diesen/
Und sang mit betrübten Sinn
Von der schönen Schäfferin.

2.
Vieh und Heerde sahen Fülle/
Die vernaschte Ziegen-Hud
Lage von der Sonnen Glut
An den kühlen Weyhern stille/
Weil der Mittag heise Schein
Seine Schatten machte klein.

3.
Er lag unter einer Eiche/
Die wolausgemästen Küeh/
Und das kleine Wollen-Vieh
Schlorffte dort biß an die Bäuche
Durch das umbemeyte Gras
Belckend fast ohn unterlaß.

4.
Der Bock mit den geulen Ziegen
Sprach der Pappel-Weyde zu/
Weil die andern in der Ruh
Ohne Schatten musten liegen/
Weil der Schäffer fort und fort
Sunge seine Trauer-Wort.

5.
O ihr ausgezierten Auen!
(Sang' er endlich überlaut/)
Wer euch für mir hat erbaut/
Der hat können Freude schauen;
Aber seit ich bey euch bin
Fällt auch eure Lust dahin.

6.
Ich hab auch für wenig Zeiten
Können spielen das und diß
Von der schönen Rosielis
Und von ihren Freundligkeiten;
Damals gab ich Filidor
Keinem Schäffer was zuvor.

7.
Aber seit Sie mein vergessen/
Weil Sie einen andern liebt/
Werd ich niemals so betrübt
Als ietzunder seyn gesessen;
Doris kränckte mich zwar sehr/
Aber Rosielis noch mehr.

8.
Zwar/ ich hatt' es doch verschworen/
Es ist schon wol übers Jahr/
Eh sie meiner müde war/
Und ich ihre Gunst verlohren/
Daß ich wolte nicht zuweit
Trauen ihrer Freundligkeit.

9.
Ja/ ich hatt' es schon beschlossen/
Weil ich hier zu Lande saß/
Keiner mehr zu gläuben was/
So gar hatte mich verdrossen/
Daß ich von der Nymfen Schaar
Allzusehr verachtet war.

10.
Pfeiff und Rohr ist abgegriffen/
Gott weis/ wo es liegen mag/
Darauff ich so manchen Tag
Von der Rosielis gepfiffen/
Wenn ich ihre Zucht und Zier
Spielte meiner Heerde für.

11.
Vielmal weis ich/ daß ich sunge/
Als mir Rosielis noch gut/
Daß darvon die gantze Hud
Auff in alle Höhe sprunge;
Weil mein frohes Schäffer-Spiel
Ihren Ohren wolgefiel.

12.
Aber ietzund muß ich ziehen/
O ihr Auen! weg von euch;
Jetzund/ ietzund zieh ich gleich/
Weil ihr mir das Vieh beschryen.
Jetzund/ ietzund zieh' ich gleich/
O ihr Auen/ weg von euch.

Collection: 
1660

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