Immer noch, du Herrliche, du Eine,
Malst du dir das fürchterliche Bild,
Daß ich dich, o dich allein nicht meine,
Die mein ganzes Innerstes erfüllt?
Dich, die meines Lebens schönste Stunden
Mit der höchsten Willenseinheit theilt,
Und, wenn Neid und Dummheit es verwunden,
Mich mit halben schönen Blicken heilt?
Seit ich dich in diesem Herzen trage,
O wie sehr, wie einzig bist du mein!
Gott nur lebt der Klausner seine Tage,
Ich die meinen Gott und dir allein!
Ach! von meinen Lebensfaden allen
Ist die Treue selbst die Spinnerin;
Heute noch ließ' ich das Ende fallen,
Säh' ich heute Wankelmuth darin!
Nur zum Auge, nie zum Herzen wandern
Lass' ich jede reizende Gestalt,
Die den Frieden eines jeden Andern
Niederwirft mit Blitzes Allgewalt.
Hält bisweilen auch der Blick der Seele
Bei dem Glanz der fremden Schönheit still;
O so ist's, zu sehn, was ihr nicht fehle,
Wenn sie, Laura, dich erreichen will!
Oder weinst du, daß von ältern Flammen
Noch ein Funken mir im Herzen glimmt;
O dann kennst du nicht den Reiz zusammen,
Der den Platz vor allen Reizen nimmt.
Wenn der Mond an Gottes blauen Himmel
Sich erhebt, das Heer des Himmels führt;
Dann, dann weiß das funkelnde Gewimmel
Aller Sterne, wer die Nacht regiert!
Lust des Auges nur an schönen Farben,
An der Jugend frischer Malerei,
War mein Lieben aus der Vorzeit; darben
Mußte mein Unsterbliches dabei.
Du allein, du hast mit Lebensodem
Den bestäubten Todten angeweht;
Und seitdem ist dieses Herz ein Boden,
Wo die Frucht, wie Himmelsfrüchte, steht.
Was für Frucht! Besonnt von deinen Blicken,
Und von deinen Thränen überthaut!
O kein Engel dürfte sie zu pflücken
Schamroth werden. Selbst der Schöpfer schaut
In mein Herz mit Schöpfers-Wohlgefallen,
Lächelnd, daß kein hoher Wunsch darin
Wohnhaft ist von meinen Wünschen allen,
Als nur Er, und du, o Zauberin.
Du, o Laura, bist mir Alles, Alles!
Jede Tugend, die noch übrig blieb,
Seit der Zeit des großen Sündenfalles,
Der die reinsten Tugenden vertrieb;
Jeder Reiz, den unsre Gleime singen,
Unsre Mengse malen, ist in dir!
Laura, lichter als in allen Dingen,
Hat sich Gott geoffenbart in dir.
Dreizehnmal erschienen und verschwunden
Ist der Mond: ein langes süßes Jahr
Ist erwachsen aus den süßen Stunden,
Die wir theilten; und wie wunderbar!
Immer noch derselbe Geist der Liebe
Geht in mir, wie Engel, um,
Und der Dämon, der von dir mich triebe,
Brächte mich um mein Elysium!
Selbst der Geist, den schon so Viele scheuten,
Weil er viel der Blumen niedertrat,
Der Genuß von kleinen Traulichkeiten,
Wirft der Blumen mehr auf unsern Pfad.
Sieh, nach unsern tausend Küssen allen
Ist dein letzter noch von heute mir
Zündend auf mein Innerstes gefallen,
Wie der erste Hebe-Kuß von dir!
Und du zweifelst, du, aus allen Welten
Auserwähltes, hohes Mädchen, du:
Ob allein dir meine Seufzer gelten?
Diese Zweifel tödtet meine Ruh.
Habe Glauben! habe Glauben, Liebe!
Ach, bei dieser Augen sanftem Licht,
Das mich hin zum Himmel leuchtet, trübe
Mir das Herz durch finstre Zweifel nicht!
(Band 2, S. 283-285)
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