Jungen Grazien und Horen
Gab den Sohn, den sie geboren,
Venus zur Erziehung hin,
Und mit mütterlichem Sinn
Pflegten sie den holden Kleinen;
Doch er hört nicht auf zu weinen,
Reisst selbst in der Grazie Schooss
Sich von ihrem Schmeicheln los.
Ach! was mag dem Kleinen fehlen?
Aus der Grazie Arm entfloh'n,
Jammert Venus holder Sohn;
Welch ein Leiden kann ihn quälen? -
Das Orakel soll es deuten,
Das der Götter Schluss belauscht,
Wo sich Lorbeerzweige breiten
Und die heil'ge Quelle rauscht;
Und wenn Opferdüfte wallen,
Öffnet sich des Schicksals Buch, -
Aus geweih'tem Haine schallen
Höret des Orakels Spruch:
Anteros nur kann ihn heilen,
Amorn, der in Kummer sinkt,
Muss ein Daseyn mit ihm theilen,
Das vereint nur Lust erringt.
Den Gespielen aufzufinden,
Sey der Grazie erste Pflicht,
Lieb' und Gegenliebe schwinden
Dann aus ihren Armen nicht.
Anteros, ein Kind des Mars und der Venus,
war die Gottheit der Gegenliebe,
so wie Amor (Eros) die Gottheit der Liebe
Aus: Gedichte von Ulrich Freyherrn von Schlippenbach
Mitau 1812 Gedruckt bey J. F. Steffenhagen und Sohn
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