Stillen Wegen geh' ich nach,
Drauf das Licht des Mondes sprühet,
Und die Sehnsucht hält mich wach,
Die in Frühlingsflammen glühet.
An ein Mädchen denk' ich leis,
Das gleich mir heut gerne küßte,
Heimlich und verstohlner Weis' -
Wer es wüßte.
Aus dem Fenster blickt sie still
Sinnend zu dem schönsten Sterne
Und sie weiß nicht, was sie will,
Und sie sehnt sich in die Ferne.
Aus dem Dunkel tret' ich vor -
Wie, wenn ich sie sacht begrüßte?
Neigte sie mir wohl ihr Ohr?
Wer es wüßte.
Manches Holdes fiel' mir ein,
Dinge, die in diesen Tagen
Fliederduft und Mondenschein
Längst zu ihrem Herzchen sprachen,
Wenn sie gleich es kaum verstand.
Ob ich es wohl frevelnd büßte,
Reicht' ich kecklich ihr die Hand -?
Wer es wüßte.
Endlich schwing' ich mich hinauf
Zu dem Fenster aus der Tiefe,
In das Zimmer spring' ich drauf -
Ob sie wohl um Hülfe riefe?
Ihre Lippen küßt' ich wund,
Wie ich möchte, wie ich müßte -
Zürnte wohl ihr schöner Mund?
Wer es wüßte.
Morgens eh' es grauen will,
Vor dem Klang der ersten Lieder
Wacht sie schon und lächelt still:
Wär' es doch schon Abend wieder!
Sprich, wo bist du, Kind, mir gleich,
Das wie ich heut gerne küßte,
Ahnungsvoll und sehnsuchtweich?
Wer es wüßte. (S. 95-96)