An Iduna

Von jedem Harm der Zeit entbunden,
Froh, wie ein Gott, umarm' ich dich.
Seit ich, Iduna! dich gefunden,
Begrüßt ein schöner Leben mich.
Vorüber sind die wilden Stürme,
Beruhigt ist der Ocean;
In deiner Unschuld treuem Schirme
Kann kein Gewitter mir sich nahn.

Es leuchten mir geneigte Sterne,
Zerrissen ist der Wolkenflor,
Und in der Näh' und in der Ferne
Umspielt mich neuer Freuden Chor.
Dich liebt der Himmel; darum wehen
Nun gute Winde meinem Lauf,
Und in des Herzens Schooße gehen
Mir froher Hoffnung Blüthen auf.

Und nahe schon am Hafen gleitet
Auf glatten Wogen unser Kahn;
Der Gott, der freundlich uns geleitet,
Wird auch vollenden unsre Bahn.
Schon winkt das sichere Gestade,
Wo der Altar der Treue steht,
Und wo auf blumenvollem Pfade
Die Liebe mit der Freude geht.

Dort fließt der Aether leicht und helle,
Dort ist des Kummers Nacht zerstreut,
Dort trinkt man an geweihter Quelle
Des langen Grams Vergessenheit.
Umtönt von süssen Melodieen,
Umstrahlt von einem reinern Licht,
Empfinden wir der Erde Mühen,
Den raschen Flug der Jahre nicht.

Ein doppelt Leben wird uns Beyden
Im Umtausch unsrer Herzen blüh'n;
Ich werde dir, du mir die Freuden
Der reinsten, treusten Brust erzieh'n;
Ich Liebe nehmend, Liebe gebend,
Du meine Welt, mein Alles mir,
Und Jedes nur im Andern lebend,
Sind wir genug uns für und für.

Aus: Gedichte von Christian Ludwig Neuffer
Stuttgart bei J. F. Steinkopf 1805

Collection: 
1829

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