Lindamor an Cölinen

Wo ist die Macht, Cöline, die gebieten
Des Herzens stiller Neigung kann?
Die Flammen, die in meinem Busen wüthen,
Sind sie Verboten unterthan?

Wer kann des Strohmes stolze Fluthen hemmen,
Wenn sie mit wildem Sturz daher
Sich wälzen und die Felder überschwemmen,
Gleich einem ausgetret'nen Meer?

Wer hält den Sturm, wenn er auf schwarzen Flügeln
Durch bebende Gefilde fährt?
Wer kann den Lauf des schnellen Blitzes zügeln,
Wenn sich die Wetterwolk' entleert?

Die Sonne leuchtet, Wasserwogen rauschen,
Des Himmels Ring ist vielgestirnt,
Und Herzen wird die Lieb' um Herzen tauschen,
Ob ihr deß froh seyd oder zürnt.

Ob deine Wächter dich in Bande schlagen,
Ob dich ein Thurm von Erz umschleußt;
Der Wind wird meine Seufzer zu dir tragen,
Und dich umschweben wird mein Geist.

Ob sie in öde Wüsten dich verbannen;
Dich feßle schwerer Eide Pflicht;
Vor mir verbergen können die Tyrannen
Im fernsten Theil der Welt dich nicht.

Ich hohlte dich aus Cretas Irrgewinde,
Auf Schlangen wandelte mein Fuß;
Ich dräng' ein andrer Orpheus in die Schlünde
Des nachtbedeckten Erebus.

Ja, wenn ein Dolch sich in das Herz mir grübe,
Mein Leben rauben könnt' er nur,
Doch nie vertilgen diese Flammenliebe,
Die ich so treu dir hielt als schwur.

Laß, o Cöline, dein Vertrau'n nicht wanken,
Der Sieg begleitet meinen Pfad.
Ich trete muthig in des Kampfes Schranken,
Und deiner Rettung Stunde naht.

Doch wenn du selbst von mir dich loszuwinden,
Zu meinen Feinden übergehst;
Wenn dich die Bande meines Schwurs nicht binden,
Den keine Ewigkeit mehr löst;

Wenn ich mein hartes Schicksal nie ermüde,
Und dir nicht heilig ist dein Wort:
So treibe mich die wilde Eumenide
Durch Land und Meer verfolgend fort;

Dann mag verströhmen mein gehaßtes Leben,
Dann sinke mir die Sonn' in Nacht,
Dann mag mich neunfach mit dem Styx umweben
Des Orkus grauenvolle Macht,

Dort, wo umsonst die bodenlosen Fässer
Der Danaiden Strafe füllt,
Und Tantalus im fliehenden Gewässer
Den brennendheißen Durst nicht stillt.

Aus: Gedichte von Christian Ludwig Neuffer
Stuttgart bei J. F. Steinkopf 1805

Collection: 
1829

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