An Thais

Liebliches Mädchen, das gleich der Libelle
Immer von Stengel zu Stengel sich wiegt,
Das, wie vom Busen der Welle die Welle,
Treulos sich trennt und an and're sich schmiegt.

Liebliches Mädchen, das jenen mit Blicken,
Diesen mit Seufzern, von ihm nur gehört,
Jenen mit Lächeln und diesen mit Nicken,
Oder dem Drucke des Händchens bethört:

Wie im Triumphe an Ketten von Rosen
Ziehst du dir nach den vergötternden Schwarm,
Fesselst mit Küssen und lockest mit Kosen
Diesen am Herzen und jenen im Arm!

Spielend mit Banden, im Taumel gebunden,
Sorglos gelöst und mit Leichtsinn geknüpft,
Mögest du nimmer erleben die Stunden,
Da dir das Scepter der Schönheit entschlüpft!

Möge die Parze dir nah'n mit der Scheere,
Eh' du, entnüchtert in schmerzlichem Tausch,
Büßest mit endlosen Qualen der Leere
Dieser Minuten vergänglichen Rausch!

Collection: 
1879

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