An die Natur

Früh' in des Lebens Lenz weiht' ich mich deinen Freuden,
Und lauschte deinem Reitz, du heilige Natur!
Wie herrlich glänzte da der Schmelz beblümter Heiden!
Wie lieblich dufteten mir Wald und Wiesenflur!
Wie fühlt' ich, angeblinkt vom Stral der Abendsonne,
In deinem Heiligthum des jungen Daseyns Wonne!

Doch konnt' ich dein mich nur im Traum der Jugend freuen,
Du, deren Reitz die Zeit mit leiser Hand berührt?
Du, deren Zauber sich mit jedem Lenz' erneuen?
Du, die der Horen Tanz an Rosenbanden führt,
Und der, ob Haine blühn, ob falbe Blätter wallen,
Stets Harmonien der Lust, wie Sphärenklang enthallen?

Nein, du wardst nie mir alt! Mit immer gleicher Wonne
Blick' ich ins Veilchenthal, vom Silberquell durchbebt,
Blick' ich zum Sternenzelt, wenn vor der Morgensonne
Auf purpurnem Gewölk Aurorens Wage schwebt!
Im Goldlicht jener Höhn, im Thauglanz dieser Fluren,
In Allem leuchten mir des Weltgeists hehre Spuren!

Sein Hauch bist du, Natur! Du lehrst uns ihn empfinden,
Aus dessen vollem Strom auch uns ein Tropfen floss!
Den Mittagshell' und Nacht', den Blüth' und Frost verkünden,
Der mild auf seine Welt des Segens Fülle goss!
Er ist im Donnersturm, dem Waldgebirge drönen,
Und in des Zephyrs Wehn, dem Aeolsharfen tönen!

O Harmonie des Alls! Welch reges Lustgewimmel
Wird Jubelhymne dess, der Erd' und Aether füllt!
Welch reiner Opferduft steigt auf zu seinem Himmel,
Der uns das volle Licht der Gottheit noch verhüllt;
Doch stralts, wie Mondesblick durch leichte Wolkenflöre,
Hier aus dem Feuerwurm, dort aus dem Sternenheere!

Dir schwör' ichs, o Natur! So lange meinen Blicken
Das Abendroth noch glüht, und noch der Vollmond stralt,
Sich mir noch Wies' und Feld, und Berg' und Haine schmücken,
Der Lenz die Rose noch mit sanftem Purpur malt:
So lange bleiben Geist und Herz, und all' ihr Streben,
Du ewig Liebende! dir kindlich hingegeben!

Collection: 
1838

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