Die Lilie

Die Lilie spricht - und jedes Wort
Trägt das beschwingte Lüftchen fort -
Zum Schmetterling, der, bunt geschmückt,
Nach ihr mit Liebesaugen blickt:

Du bist von hohem Rang und Stand,
Der Blumen allen wohlbekannt
In deinem goldgesäumten Kleid,
Doch - freut dich auch die Einsamkeit?

Der Balsamduft der stillen Nacht,
Wenn sie mit Muttersorge wacht,
Das Blühn, der Stern, die Nachtigall,
Der Seele größte Wonnen all? -

Als so die fromme Lilie fragt,
Der Schmetterling mit Lächeln sagt:
Leb' wohl, auf frohes Widersehn!
Du bist für diese Welt zu schön.

Sie grüßt mit sanfter Majestät,
Als ihn sein Flug von dannen weht,
Vergißt schon, daß ein Schmetterling
An ihren weißen Blättern hing.

Collection: 
1882

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    Zum Schmetterling, der, bunt geschmückt,
    Nach ihr mit Liebesaugen blickt:

    Du bist von hohem Rang und Stand,
    Der Blumen allen wohlbekannt
    In...

  • Ich wandelte einsam durch Wiese und Feld
    Und sommerlich glühte und lachte die Welt,
    Da schlüpfte zum Herzen der sengende Strahl
    Und siehe! es brannte wie Hügel und Thal.

    Die Lerche schwirrte dem Auge vorbei,
    Sie trillert aus...

  • Auf der Schwelle meiner Lieben
    Schwarz gefiedert sitzt ein Rabe,
    Hat von dannen mich getrieben,
    Krächzend wie aus tiefem Grabe.

    Besser halt' ich mich verborgen
    An dem trüben Unglückstage,
    Daß der andre neue Morgen...

  • Mein Herz ist nur klein,
    Schließt Wenige ein,
    Die ruhen geborgen
    Am Abend, am Morgen.

    Mein Herz ist nicht groß,
    Kein mächtiges Schloß,
    Wo Hunderte wallen
    Und Hundert gefallen.

    Mein Herz ist...

  • Ich bin nicht die Kerze,
    Mein Schatz, in dem Saal,
    Die fesselt die Blicke
    Der Menschen zumal.

    Ich bin nicht das Feuer,
    So lodernd und warm,
    Darum sich vereinet
    Geselliger Schwarm.

    Doch bin...