Die drei Saiten

Es sind drei zarte, wundervolle Saiten,
Die lieblich klingen in des Menschen Brust:
Wenn ihre Töne ihn durch's Leben leiten,
Lacht Freude nur und hohe Wonn' und Lust!

Ist eine von den Saiten erst zersprungen,
Du armer Erdensohn! in deinem Herz:
Dann sind die andern beiden auch verklungen,
Dann hauchen klagend sie nur Weh und Schmerz!

Die erste Saite regt der reine Glaube,
Der Glaube an den Vater in der Höh':
Die Unschuld hört den Laut, die weiße Taube,
Oft klingen in des Lebens Freud' und Weh!

Die zweite Saite schlägt die holde Liebe,
Die Liebe: ach! wie ist der Klang so süß!
Er weckt in uns die seligsten der Triebe,
Es wandelt sich die Erd' in's Paradies!

Die Hoffnung rührt die dritte Zaubersaite
Mit wehmuthsvollem, lindem Lenzeswehn:
Das Auge schauet in die blaue Weite
Und spricht: Da werden wir uns wiedersehn!

Wenn die drei Saiten leis zusammenklingen
In stäter ungetrübter Harmonie,
Dann ist es, als ob Gottes Engel singen
Der Himmelskönigin und preisen sie.

Collection: 
1855

More from Poet

  • Mit leisem Lied, mit süßen Leierklängen -
    Denn ach! was hab' ich Armer mehr zu geben? -
    Möcht' ich, du Holde! in dein Herz mich drängen,
    Wär' nur vergebens nicht dies eitle Streben!

    Du stehst zu hoch! ach, willst du mich erheben,...

  • Der Frühling ist kommen!
    Schallt froh es und laut:
    Auf! ruft ihm Willkommen
    Dein Jüngling so traut!
    Laßt tönen die Lieder
    Durch Wald und durch Flur!
    Der Frühling küßt wieder
    Die ganze Natur!

    ...

  • Sonn' ist aufgegangen,
    Blickt durch's Fenster 'nein,
    Wo vom Traum umfangen
    Schlummert Liebchen mein.

    Und ich steh' hier unten,
    Blick' zum Fensterlein:
    Möcht' nur ein paar Stunden
    Wohl die Sonne sein...

  • Es saß der Knabe an dem Bach,
    Auf grünem Blumenrain,
    Und dachte sinnend drüber nach,
    Was Liebe möchte sein!
    Sie sagen, Liebe machet Harm
    Und ist doch süß dabei,
    Ein Balsam und doch glühend warm:
    Das schien...

  • Mit lächelndem Gesicht
    Lagst du in süßer Ruh',
    Umstrahlt von mildem Licht:
    Ach! wovon träumtest du?

    Verzaubert schienst du mir,
    Die blauen Aeuglein zu,
    Entrollt der Locken Zier:
    Ach! wovon träumtest du...