Sie sagten oft, du seiest streng und kalt
Und deine junge Seele zugeschlossen
Für jeder Liebe sonnige Gewalt.
Wie Amazonen auf unbänd'gen Rossen
Mit Löwentrotz hinstürmen in die Schlacht,
Noch trotzig ernst, selbst durch die Brust geschossen;
Wie vor dem Parthenon in Erzespracht
Athene blickt in blaue Meeresweiten
Und unbewegt ihr Heiligthum bewacht;
Und wie im wilden Wald zu Römerzeiten
Dem Cäsar einst ein riesig Weib erschien,
Ihm Wehe rufend, vor dem Weiterreiten:
So bist du trotzig, amazonenkühn,
Bewegungslos und ehern gleich Athenen,
Und wie Velleda's deine Augen glühn.
Ich aber weiß: schon Ströme herber Thränen
Sah manche Nacht von deinem Auge thau'n,
Und sturmvoll glühte auf ein tiefes Sehnen.
Ein dunkles Räthsel bliebst du, selbst den Frau'n,
Nur Schein ist deine Ruh' und deine Scheue,
Du bist nicht stolz, noch herbe, noch voll Grau'n.
Aus Vorsicht nur, aus Mädchenfurcht vor Reue
Schirmst du die Brust mit ehernem Gewand,
Denn bei den Männern suchst du keine Treue.
Falschheit allein, Begier und Sinnenbrand
Beherrscht die Welt, entwerthet die Juwele
Und streckt nach Heiligstem die Räuberhand.
In Masken drum verbirgst du deine Seele,
Ein Isisbildniß, vor sich selber bang,
Als ob's ein süßes Räthsel sich verhehle.
Bis einst es einem Glücklichen gelang,
Deß Muth von allen Göttern aufgewiegelt,
Daß er als Sieger diese Burg bezwang.
Heil dem, der diese Mädchenbrust entsiegelt,
Die Göttlichkeit und Wildheit wunderbar
In ihren Tiefen sanft vereinigt spiegelt!
Dann wird das Waldweib mit gelöstem Haar
Zur scheuen Nymphe. Aus Athenes Helme
Lacht Aphrodite. Tödtliche Gefahr -
Sie droht allein vom Pfeile kleiner Schelme.