Verschollenes Glück

Ich weiß ein Märchen, daß ein Wandrer kam
Zum Waldesgrund, da läutet' es wie Glocken,
Und eine Blume fand es wundersam
Und schmückte traumvoll seine braunen Locken.
Als er zurück zu Menschen kam voll Gram,
Bestaunten ihn die Leute tief erschrocken:
Die Welt war älter um viel hundert Jahre,
Und Keiner kannt' ihn mit dem Kranz im Haare.

So bist du meine Zauberblume auch,
Und von des Traumes Bann bin ich umfangen.
Ich weiß nicht mehr, was bei den Menschen Brauch,
Mir ist, als wären hundert Jahr' vergangen.
Ein Fremdling bin ich worden, denn ein Hauch
Des Alters weht in dieser Welt, der bangen.
Nur ich bin jung und fremd im blütenvollen
Lenzschmuck des Glückes wie vor der Welt verschollen.

Drum kehr' ich nun auf immer heim zu dir
Und meinem Märchenglück im Waldesgrunde.
Vergessen will ich sein. Mir sprudelt hier
Des Lebens Quell und Heil für jede Wunde.
Dein Auge feuchten Strahles über mir,
Ein Flüstern weggeküßt von deinem Munde -
So mögen mir Jahrtausende verschwinden,
Zur Welt den Rückweg will ich nimmer finden!

Collection: 
1882

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