Still saß sie da, die Lieblichste von allen,
Aufhorchend, ohne Tadel, ohne Lob;
Das dunkle Tuch war von der Brust gefallen,
Die, nur vom Kleid bedeckt, sich atmend hob;
Das Haupt gesenkt, den Leib nach vorn gebogen,
Wie von den flichnden Tönen nachgezogen.
Nenn ich sie schön? Ist Schönheit doch ein Bild,
Das selbst sich malt und nur sich selbst bedeutet,
Doch Höheres aus diesen Zügen quillt,
Die wie die Züge einer Schrift verbreitet,
An sich oft bildlos, unscheinbare Zeichen,
Doch himmlisch durch den Sinn, den sie erreichen.
So saß sie da, das Regen nur der Wangen
Mit ihren zarten Muskeln rund und weich,
Der Wimpern Zucken, die das Aug umhangen,
Der Lippen Spiel, die Purpurlädchen gleich,
Den Schatz von Perlen hüllen jetzt, nun zeigen,
Verriet Gefühl, von dem die Worte schweigen.
Und wie die Töne brausend sich verwirren,
In stetem Kampfe stets nur halb versöhnt,
Jetzt klagen, wie verflogne Tauben girren,
Jetzt stürmen, wie der Gang der Wetter dröhnt,
Sah ich ihr Lust und Qual im Antlitz kriegen
Und jeder Ton ward Bild in ihren Zügen.
Mitleidend wollt ich schon zum Künstler rufen:
"Halt ein! Warum zermalmst du ihre Brust?"
Da war erreicht die schneidendste der Stufen,
Der Ton des Schmerzes ward zum Ton der Lust
Und wie Neptun, vor dem die Stürme flogen,
Hob sich der Dreiklang ebnend aus den Wogen;
Und wie die Sonne steigt, die Strahlen dringen
Durch der zersprengten Wetter dunkle Nacht,
So ging ihr Aug, an dem noch Tropfen hingen,
Hellglänzend auf in sonnengleicher Pracht;
Ein leises Ach aus ihrem süßen Munde,
Sah, wie nach Mitgefühl, sie in die Runde.
Da trieb's mich auf; nun soll sie's hören!
Was mich schon längst bewegt, nun werd ihr's kund!
Doch blickt sie her; den Künstler nicht zu stören
Befiehlt ihr Finger schwicht'gend an dem Mund,
Und wieder seh ich horchend sie sich neigen
Und wieder muß ich sitzen, wieder schweigen.