Lüftchen, das mit warmem Hauche
Sanft befreit des Baches Lauf,
Thau, o thaue dort am Strauche
Bald die kleinen Knospen auf!
Saß so gern versteckt im Flieder,
Von der Blätter Dach beschützt,
Blickte in das Stübchen nieder,
Wo mein sprödes Mädchen sitzt.
Doch zuvor am Fenster drüben
Thau die Eisesblumen ab!
Seh' umsonst nach meiner Lieben,
Weiß nicht was sich dort begab.
Wandelt Liebchen auf der Aue:
Dann, o Zephir! eile, lauf',
Fenster laß und Strauch, und thaue
Mir zuerst das Liebchen auf.
Denn von strengem Eis umgeben,
Gleich den Blumen auf der Flur,
Gönnt mir mein geliebtes Leben
Frost'ge, kalte Blicke nur.
Darum, lindes Lüftchen, stehe
Der gekränkten Liebe bei,
Bis ich Sonnenblicke sehe
Heiter, lächelnd wie der Mai.
Ist das Herz erst aufgethauet,
Thaut wohl auch das Fenster ab,
Denn auf frohe Liebe schauet
Heller Himmel stets herab.
aus: Gedichte von Agnes Franz
Zweite Sammlung Essen 1837