Es hielt die Nacht das Licht gebunden,
Bis es der Liebe Wort befreit,
Nun haben Beide sich gefunden,
Zu ewig fester Einigkeit.
Und wo sich ihre Flammen regen
In jugendlichen Lebensmuth,
Da naht sich auch des Liedes Segen,
Und weih't des Bundes heil'ge Gluth.
Was Ahnung geträumet, wird frohes Erkennen,
Schon naht dem Gefühl das verkündende Wort,
Noch kann es die bebende Lippe nicht nennen,
Doch tönt schon im Innern der schöne Accord.
Bald wählen des Liedes gewaltige Schwingen
Die Geister der Liebe, die Geister des Lichts,
Hinaus in die schlummernden Welten zu dringen,
Im heitern Gewande beseelten Gedichts.
Schon hebet sich zu regerm Leben
Des Sängers freier Geist empor.
Nach Licht und Liebe ringt sein Streben,
Dem Glück, das Psyche einst verlor.
Die Wehmuth pflegt des Liedes Blüthe,
Die Sehnsucht nimmt sie an ihr Herz.
So keimt sie still aus dem Gemüthe
Des frommen Sängers himmerwärts.
Und schweigend durchwallt er die blühenden Auen,
Und folgt der Natur mit gelehrigem Blick;
Die Thränen, die selig dem Auge entthauen,
Sie zeugen von einem unendlichen Glück.
Ein sinniger Schüler, im Reiche des Schönen,
Irrt' leis' er durch Fluren und Thäler, und lauscht
Den lieblichen Farben, den wonnigen Tönen,
Dem göttlichen Wort, das im Haine ihm rauscht.
Schon streut er liebliche Gesänge,
Gleich Maiesblüthen, freudig aus.
Es lauscht bewundernd ihm die Menge,
Und öffnet froh ihm Herz und Haus;
Und Jedes preiset seine Lieder,
Und ist dem lieben Sänger hold,
Und Kränze streut man auf ihn nieder,
Und lohnt mit Ehren ihn und Gold.
Und fröhlich empfängt er die freundliche Gabe,
Entzückt von des Augenblicks flüchtiger Gunst.
Froh sang er die Lieder, froh theilt' er die Habe,
Vertrauend dem höheren Segen der Kunst.
Doch kann ihn nicht binden, doch kann ihn nicht halten,
Was Jene zum bleibenden Ziel sich erkürt:
Er fühlt es, es haben ihn andre Gewalten
Hinaus auf die Bühne des Lebens geführt.
Als holde Blüthe flicht er heiter
Des Glückes Lohn in seinen Kranz,
Doch hebt er seine Blicke weiter,
Gelockt von einem höhern Glanz.
Ausströmen will er frei das Leben,
Des Schönen wunderbares Heil,
So ihm der Götter Huld gegeben,
Als Aller Gaben bestes Theil.
Von Allen verstanden, geliebt und umfangen,
Die würdig, zu theilen ein edles Gefühl,
Das ist sein Geheimniß, sein stilles Verlangen,
Der Quell seiner Lieder, ihr seliges Ziel.
Das Licht sucht die Liebe, so wie sich die reine,
Unsterbliche Liebe zum Himmel erhebt.
Bis Licht, Lied und Liebe im schönen Vereine
Den göttlichen Kranz der Vollendung erstrebt.
aus: Gedichte von Agnes Franz
Erste Sammlung Zweite Auflage Essen 1836