Du willst es, daß ich von Dir gehe,
Und machst die Trennung mir zur Pflicht,
Doch, - ob ich fern von Dir bestehe,
Dies, Grausame, dies frägst Du nicht.
Du droh'st dem Freund, und lächelst leise,
Wenn düster er von Sterben spricht,
Und beutst ihm tröstende Beweise,
Daß Leid so leicht ein Herz nicht bricht.
Was nennst Du Tod, was nennst Du Leben? -
Schau' auf die Blume, wie beglückt
Sich ihres Kelches Gluthen heben,
Wenn sie in's Aug' der Sonne blickt.
Zum Balsam wird des Thaues Zähre,
Zum Glanz der Staub, der sie ernährt,
Es hat die lichte Sonnensphäre
Zum Göttertraum ihr Seyn verklärt.
Da pflanzt - in ihres Glückes Fülle
Des Gärtners Hand sie in ein Land,
Wo zu der Felsen düst'rer Stille
Kein Sonnenstrahl den Weg noch fand.
Gewohnt, das süße Licht zu grüßen,
Hebt suchend sie das Haupt empor,
Doch muß sie bald den Irrthum büßen,
Kein Sonnenantlitz tritt hervor.
Kalt ist der Odem, den sie trinket,
Kalt, wie in einer Grabesnacht.
Es bleicht der Farben Glanz, es sinket
Der Zweige Kraft, der Blätter Pracht.
Nicht Tod, nur langsames Entfärben,
Hinwelken ist's, was sie bedroht,
Ihr Leben wird ein langes Sterben,
Ein Loos, grausamer als der Tod.
Sie lebt, - doch ohne Duft und Blüthe,
Sie lebt, - doch ohne zu erfreu'n.
Der Zweig, dem sonst die Ros' entglühte,
Wird bald als Dorn dem Wand'rer dräu'n.
Verstehst Du nun den Schmerz des Lebens,
Dem man des Daseyns Licht geraubt?
Du wehrest seiner Macht vergebens?
Kein Trostwort hebt der Blume Haupt.
Ich werde scheiden, - werde leben, -
Doch wage nie, von diesem Seyn
Den Schleier forschend aufzuheben!
Laß Gram und Thränen mir allein!
aus: Gedichte von Agnes Franz
Erste Sammlung Zweite Auflage Essen 1836