Petrark und Laura

Andächtig hingeneigt am Hochaltare,
Das Aug' gesenkt in brünstigem Gebet,
Daß sie der Stunde ernstes Heil bewahre,
Kniet Laura in demüth'ger Majestät.
Nicht irdisch Glück, - das Ew'ge, Unsichtbare
Ist's, was an ihrem Sinn vorübergeht.
Mit Engeln scheint der holde Mond zu kosen,
Frisch aufgeblüht, gleich jungen Maienrosen.

Ein grün Gewand, mit Veilchen dicht durchwebet,
Umfängt der Glieder göttergleichen Bau;
Und auf den reichen, blonden Flechten schwebet
Ein Kranz, gleich Sonnengold und Perlenthau.
So gleicht sie, wie sie nun den Blick erhebet,
Dem Frühlings-Engel, der die stumme Au'
Erwecken soll zu wunderbarem Leben,
Um Blüthen, Glanz und Stimme ihm zu geben.

Nicht ahnet sie in ihrer frommen Feier,
Daß sie, in anspruchloser Lieblichkeit,
Den ew'gen Lorbeer auf Petrarka's Leyer
In dieser großen, ernsten Stunde streut. -
Schon flammt die Gluth, die heller sich und freier
Entfalten soll in Sanges-Ewigkeit;
Schon schmücket sich der reichste aller Lenze,
Daß Laura's Bild unsterblich er umkränze.

Petrarka lauscht mit wonnigem Entzücken,
Den Gott vergessend ob der Beterin,
Und saugt ihr Bild mit stummen Feuerblicken
Für eine Ewigkeit in Herz und Sinn;
Er fühlt's, nun wird des Liedes Preis ihm glücken,
Seit er geschaut der Anmuth Königin,
Der Unschuld fromme, kindliche Ergebung,
Des reinsten Blickes strahlende Erhebung.

Und immer tiefer prägt in sein Gemüthe
Der Frömmigkeit und Schönheit Zauber sich;
Er sieht der Engel Glanz, der Engel Güte,
Zum erstenmal vereinet inniglich,
Und schwört zu feiern diese Himmelsblüte
In Gluthgesängen hoch und wonniglich,
Der Liebe Pfeil, er stürzt den Damm darnieder,
Der noch gehemmt den stolzen Strom der Lieder.

Die Stunde flieht, die frommen Beter wallen
Mit leisem Tritt von Betstuhl und Altar;
Auch sie entweicht, doch ihre Blicke fallen
Auf ihn, den Schönsten in der Männer Schaar,
Und beide tragen aus des Tempels Hallen
Der Liebe Flammen heim für immerdar,
Sie, still sie bergend in dem keuschen Busen,
Er, sie aussprechend, gleich entzückten Musen.

Und Laura heißt nun seines Lebens Quelle,
Die immer stolzer ihre Wogen regt,
Laura das Bild, das seines Liedes Welle
Vergötternd auf zur Sternenhöhe trägt,
Und wo sie weilt, - da wandelt jede Stelle
Zum Tempel sich, der eine Gottheit hegt,
Da sproßt der Lorbeer, steigt in vollem Strome
Gesangesgluth empor zum Himmelsdome.

Sie horcht dem Lied, erst jungfräulich befangen,
Demüthig bald, bald stiller Freude voll;
In edlem Stolz erglühen ihre Wangen,
Denkt sie, daß ihr Petrarka's Leyer scholl.
Daß sie vor allen Erdenfrauen prangen
Durch des gefei'rten Sängers Liebe soll;
Drückt sie des Ruhmes Schimmer gleich darnieder,
Erhebt sie selig seine Liebe wieder.

Und heimlich zündet sie in ihrem Herzen
Das Opfer ihm, das, wie der Vesta Gluth,
Verschwiegen brennt, genährt von stillen Schmerzen,
In treuer, hoffnungsloser Liebe Hut.
Das wirft den Strahl, gleich ew'gen Himmelskerzen,
In banger Tage nächtlich trübe Fluth,
Und lehret sie, bei schmerzlichem Entsagen,
Hin über's Grab die stille Hoffnung tragen.

Und wie die Palme erst von Druck gehoben
In königlicher Schöne sich erhebt;
Wie Blüthenpracht entwickelt Sturmes Toben,
Des Springquell's Fluth, gehemmt, zur Höhe strebt:
So hob sich kühn der reine Strahl von Oben
Petrarka's Liebe stolz und sangbelebt;
Kein Schmerz zerstörte seiner Hoffnung Leben,
Fest stand's, zum schönen Ziel emporzustreben.

Kühn wie der Aar, und zart wie Lenzeskosen
Scholl siegend sein Gesang von Land zu Land;
Da war kein Herz, das, mit der hoffnungslosen,
Allmächt'gen Liebe des Petrark's bekannt,
Ihm nicht verschwiegner, zarter Neigung Rosen
In seines Lorbeers stolze Krone wand.
Vereinigt stets kam ihm im vollen Segen
Der reichste Ruhm, die reichste Huld entgegen.

Schon hatte Rom den Sänger ohne Gleichen
Mit allen Kränzen hohen Ruhms geschmückt;
Schon sah er sich, durch selt'ne Beifalls-Zeichen,
Mit Ehr' und Glanz vor Tausenden beglückt:
Da dünkt' es ihm, er säh' die Schranke weichen,
Die ihm das theu'rste Kleinod noch entrückt,
Und heimwärts eilt er, um zu Laura's Füßen
Den schönsten Lohn des Sängers zu genießen.

Doch heimgekehrt schon war der reine Funken
Der Liebe, die hier keine Heimath fand;
Die zarte Hülle schon in Staub gesunken,
Die einst so wunderholden Strahl versandt.
Gleich Blumen, die zu heiße Gluth getrunken,
Sank sie dahin, entrückt dem Mutterland,
Damit des Sängers Sehnsucht von der Erde
Zu dem Unendlichen gezogen werde.

Voll tiefen Schmerzes sank an Laura's Grabe,
Das all sein Lieben, all sein Glück umschloß,
Petrarka hin, und band vom Wanderstabe
Die letzten Kränze seines Ruhmes los;
Stumm legte er des Glückes eitle Gabe
Auf der verwais'ten Erde kalten Schooß;
Dann floh er trauernd zu Vauclüsens Stille,
Sich bergend in der tiefsten Haine Hülle.

Hier war's, wo, seinen Schmerz ihm zu vergüten,
Laura's verklärte Huldgestalt erschien,
Ihm reichend ewigjunge Sangesblüthen,
Wie keinem Sterblichen sie noch verlieh'n;
Wo Himmelsträume selig ihn durchglühten,
Ihm niederrauschten Engel-Melodien,
Und aller Musen Gunst ihm hold gewährte,
Zu träumen, was auf Erden er entbehrte.

So zog sein Geist an treuer Liebe Bande
Herab zu sich die stille Geisterwelt,
So sang er sie, wie sie im Lichtgewande,
Von ew'ger Jugend Morgenroth erhellt,
Ihm aufwärts winkte zu dem Palmenlande,
Wo jeder Schleier banger Trennung fällt,
Bis spät der Tod mit sanftem Friedenskusse
Ihm winkte zu der Liebe Vollgenusse.
__

Weitstrahlend, wie ein Bild der Sternenhöhen,
Prangt Laura's Bild am Ruhmes-Firmament;
Und nimmer wird ihr Name untergehen,
So lange man Petrarka's Namen nennt.
Zwei Flammen, die entzückt zusammenwehen,
Ob sie am Boden scheinbar gleich getrennt:
So leuchten sie, vereint durch ew'ge Bande,
Durch alle Zeiten und durch alle Lande.

O schönes Loos, gepflegt von Charitinnen,
In frommer, anspruchsloser Lieblichkeit,
Den schönsten aller Kränze zu gewinnen:
Den Kranz der Liebe und Unsterblichkeit!
Wer könnte wohl noch höhern Schmuck ersinnen,
Als den, den Laura'n einst Petrark geweiht?
Durch treue Lieb' im Tode fortzuleben:
Nicht schönern Kranz kann je das Glück uns geben.

aus: Gedichte von Agnes Franz
Erste Sammlung Zweite Auflage Essen 1836

Collection: 
1836

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    Berührt von...