Liebe kann nicht untergehn!

Wenn sie fremd sich von uns kehren,
Die wir treu und heiß geliebt,
Wenn kein Blick uns Antwort giebt
Auf des Kummers bange Zähren:
Da, o Liebe, halt' uns fest!
Zeige, daß Du uns geblieben,
Wenn auch das, was Menschen lieben,
Wandelnd, treulos sie verläßt!

Du bist ewig! Nur die Thoren
Klagen, Du sey'st wandelbar!
Eh' des Menschen Tag noch war,
War'st Du, Herrliche, geboren!
Du wirst leben, Du wirst seyn,
Wenn der Sonne Glanz versunken!
Deines Lichtes Götterfunken
Hüllet keine Dämm'rung ein!

Darum kannst Du auch nicht scheiden;
Wir nur scheiden uns von Dir!
Andern Göttern huld'gen wir,
Dir zur Trauer, uns zum Leiden!
Was uns kränkte, uns betrog,
War des Wahnes Truggebilde,
Das, statt Deiner Göttermilde,
Der Bethörte an sich zog.

Ruhig schauest Du von oben
In des Träumers wirre Nacht,
Bis er, weinend aufgewacht,
Nun den Schleier hat gehoben.
Da, - ein Stern, der nie verlischt,
Gehst du auf dem Kummervollen,
Bis der Reue Thränen rollen,
Und sich Schmerz mit Wonne mischt.

Und es bricht sich des Geschickes
Und des Hasses finstre Macht,
Alles Grau'n der alten Nacht,
An dem Lächeln Deines Blickes!
Und es tönet von den Höh'n:
"Wie auch, Mensch, Dein Lieben schwanke,
Wie, was Du geliebt, auch wanke:
Liebe kann nicht untergehn!"

aus: Gedichte von Agnes Franz
Erste Sammlung Zweite Auflage Essen 1836

Collection: 
1836

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