Einst bist du fest an mir gehangen,
Nur fester, weil du es geahnt,
Daß seelentiefer dein Verlangen,
Daß unstät mich das Leben mahnt.
Mir reichte Phantasie den Becher
Und süßer, goldner Liebeswein
Schien für den sehnsuchtsvollen Zecher
In jedem Weib bereit zu sein.
Du sagtest oft, wenn wir zusammen:
"So liebt dich keine, keine mehr."
Ich lächelte zu deinen Flammen,
Verletzte deine Liebe schwer.
Zu jung, hab' ich dich nicht verstanden
Und wahrer Liebe Segensgruß,
Da rissest du aus deinen Banden
Dich fort mit einem kalten Kuß.
Nicht spielend, wie aus Blumenringen,
Nicht plötzlich - spät - nach Kampf und Qual,
Nicht wie du kamst mit lichten Schwingen
Und mit bethräntem Augenstrahl.
Ich sah es kalt - schon schlugen neue
Besonnte Wellen um mich her,
Jetzt überkommt mich spät die Reue -
Wie, sprach ich Reue? Nimmermehr!
Als deiner Liebe Fessel sanken,
Da fielen rächend leise sie
Mir um Gefühle und Gedanken,
Doch ich empfand die Fessel nie.
Ihr Zauber schien um mich zu walten,
Der unsichtbar zu Liebe trieb,
Bis ich, verwirrt von den Gestalten,
Nicht suchend mehr, verlassen blieb.
Jetzt taucht dein Bild empor magnetisch
Und Sehnsucht faßt mich an nach dir,
Jetzt haftet wie an einem Fetisch
An deinem Bild die Seele mir:
Und wie du nimmer mir erschienen
So seelenvoll, so geisteslicht,
"So liebte keine unter ihnen",
Die Stimme in der Seele spricht.
So heiß wie jetzt in Sehnsucht brannte
Zu dir die Seele nie zuvor,
Weil ich erst jetzt dich tief erkannte,
Weil ich erst jetzt dich schwer verlor.
aus: Gedichte von Ludwig August Frankl
Leipzig F. A. Brockhaus 1840