Der Kuss aufs Auge

Wenn oft bei abendspäter Gluth
In stillen Dämmerungen
Mein Haupt an deinem Busen ruht,
Von deinem Arm umschlungen;

Dann weht vom Munde mancher Traum,
Manch Wort von tiefem Leben;
Wie goldner Seifenblasen Schaum
Vom Kindermund mit Beben.

Dein blaues Auge schaut mich an,
So himmeltief und trunken,
Als ob vom blauen Himmelsplan
Zwei Stern' hinein gesunken.

Wie Magier im Sonnenland,
Die Lippen fest zusammen
In Andacht sich auf Bergesrand
Genaht den Gottesflammen:

Naht dann mein Mund geschlossen auch
Sich deines Auges Helle,
Daß nicht berühre ird'scher Hauch
Die blaue Flammenquelle!

aus: Gedichte von Ludwig August Frankl
Leipzig F. A. Brockhaus 1840

Collection: 
1880

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