Der Schäfer saß an einem Bach
Und sah und sang hinein,
Sang fort und fort sein Weh und Ach
Und seufzte leis' darein:
"Du Bächlein lieb, du Bächlein hell,
Nimm freundlich, was ich gab,
Und trag' mein Lied, o trag' es schnell
Zu ihr, zu ihr hinab!
Und kannst du's, nimm mein Bild mit fort
Und schenk' es freundlich ihr;
Doch sprich dazu ein süßes Wort
Von ihrem Schäfer hier." -
Weit unten saß die Schäferin
Und sah in's Bächlein licht;
Doch sah kein Bildniß sie darin
Und hört nicht, was es spricht.
Und wieder kam zum Bach daher,
Der Schäfer treu und gut,
Nicht Bächlein jetzt, ein wildes Meer,
Hochschwellend, Fluth an Fluth.
"So recht, mein Bach, mein trauter Freund!
Weißt du, was Herzleid ist,
Daß du, weil jetzt mein Auge weint,
Zum Strom geworden bist?
Und meinst du's wahr, so nimm mich auf
In deinen weichen Schoos,
Und geht zu ihr dein schneller Lauf,
Leg' mich bei ihr in's Moos!" -
So haucht er aus mit Ungestüm
Zum letzten Mal sein Weh,
Und merket nicht, daß hinter ihm
Sein lauschend Mägdlein steh'.
Das hört nun besser, was er spricht,
Und sieht sein Bild nun auch,
Und ruft mit Huld im Angesicht:
"Ei, wär' das Schäferbrauch?
Gingst du hinab, müßt' ich ja auch,
Und lebt' ach! gerne doch!
O sieh mich an, die nichts verbrach,
Und sage, willst du noch?"
"Dich", ruft er, "will ich, Mägdlein traut,
Nur dich!" und springt empor,
Und sieh! ein Doppelbildniß schaut
Nun aus der Fluth hervor. -
Und wieder kam zum Bach und saß
Am Rand ein liebend Paar -
Ei! wie da rann durch lichtes Gras
Das Bächlein still und klar! (Band 1, S. 367-369)