Ich wollte von ihr gehn:
Und wie ich so stand im Trennen,
Da fühlt' ich ihren Odem glühend weh'n
Und ihre Lippe die meine brennen.
Ein Blick, der wie ein Feuerstral
Durchs Auge in's Herz mir drang,
Ein Kuß, der wie ein Feuermaal
Der Sehnsucht auf meine Lippe sank;
Ein Druck der Hand, o nein! weit mehr:
Ein Ringen, ein Pressen, ein Krampf,
Ein ringsumschlingendes Begehr,
Ein liebestürmender Kampf!
"O nein, Geliebter, noch nicht, noch nicht,
Du darfst nicht fort, nein, nein!
Ich halte dich, ich lasse dich nicht,
Ich verschmachte, ich sterbe allein!
Nein, jetzt noch nicht, um Gott und die Welt!
Hab' Mitleid mit deinem Weib',
Das liebend sich dir entgegenstellt,
Bleib, Seele, bei deinem Leib!"
"Geh nicht, und schleud're als Blitz den Harm
Nicht in mein Herz, daß es zerschellt:
Ist dir nicht wärmer in meinem Arm
Als draußen in der kalten Welt?
- Sie lieben dich nicht, sie sagen es nur,
Ich liebe dich, ich allein,
Dich mehr als Alles, als Gott und Natur,
Als Leben und Seligsein! -
Ich kann es nicht denken, dich gehen zu seh'n,
Nicht fassen, daß du nicht bei mir, -
Gib mir mit deiner Hand des Todes Weh'n,
Doch bleib' bei der Leiche nur hier."
Sie sprach's, nein, sie rast es und weint's,
Und umklammert mich bebend und bang,
Und durch ihre Tränen, da scheint's,
Wie der Verzweiflung zuckender Drang; -
Ich seh' in ihr Auge - o Himmel, hab Dank!
Ich bleibe, ich sinke vor ihr auf's Knie:
Wer mag da von uns Zwei'n
Wohl glücklicher geworden sein? -
Ich oder Sie? -
2.
Du fern, fern von mir, o Pein!
Ich kann es nicht länger ertragen,
Nicht länger kann ich durch Täuschung und Schein
Dieß Sehnen des Herzens vertagen.
Fern meinem glühenden Kusse, der still,
Gleich einer heiligen Opferflamme
Auf dem Altare deiner Reize brennen will;
Fern meiner Sehnsucht, die einer Venus gleich
Aus den Wellen deiner Schönheit aufgestiegen,
Sich in deinen Armen, so weiß und weich
Liebetrunken einzuwiegen.
Fern meinem Blick, der wie ein Falk
In deinem blauen Augenhimmel schwebt,
Der von dem Körnlein deiner Liebe
Und von dem Meere deiner Schönheit lebt.
Fern meinem Arm, der wie eine Zauberflechte,
Dich so innig umschlingt und sehnlich,
Und der, einem Zauberreife ähnlich,
Dich ewig an mein Herz fesseln möchte.
Du fern von mir, du dem Gatten das Weib,
Begeisterung dem Dichter, Seele dem Leib, -
Fern von mir, fern, und ich ohne Kunde!
Und ich Ewigkeiten hinbrütend
In einer einzigen ewigen Stunde,
Und ruhlos und klagend und weinend und wüthend
Mit Blick und Herzen spähend in die Runde! -
- Wie ich doch so gar nichts von dir weiß,
Als daß ich dich ewig anbeten muß: -
Sieh, die Weste sind gefesselt in deinem Kreis,
Sie geizen und buhlen um deinen Kuß,
Sie können sich deiner Anmuth nicht entringen,
Dem Fernen Kunde von dir zu bringen.
Die Sterne, seit sie dich gesehn,
Sind so stille, stumm und bleich,
Und blicken neidisch von den Höhn,
Denn ich Armer, dünke ihnen reich.
So steh' ich verlassen von allen, allein,
Und nirgends Kunde für meine Pein!
O sende sie selbst, sei mitleidig du,
Sende aus der Arche deines Herzens
Die Taube der Erinnerung
An das Gefels meiner Sehnsucht,
Damit sie den grünen Zweig
Der Liebe freudig flatternd
Dir von mir heimbringe;
Damit du gleich fühlend
Die Thränenfluth der Trennung beendest.
Dann magst du landen am Ararat des Glücks,
Deine Wange an meine lehnen,
Und deinen Mund an meinen,
Und das Geflüster unserer Lippen
Soll emporrauschen als Dankgebet,
Und der süße Hauch deines Odems
Soll emporduften als Opferweihrauch;
Und über dies Bild unendlicher Seligkeit
Sei der hellfarbige Regenbogen
Ewiger Liebe und Treue gezogen.
3.
Ich eile fort aus dem lärmenden Schwarm
Zu Hause, zu Hause zu dir,
Und bist du gleich fern und nicht bei mir,
Ruh' ich doch ewig in deinem Arm.
Mein Herz, mein Gedanke, mein Geist, mein Sinn
Liegt an deinem Lilienhals,
Und zieht meine Seele zu dir hin,
So thut's der Körper ebenfalls.
Wie dem Lenze die Erde, der Sonne das Feld,
Wie die Knospe dem blühenden Segen,
Wie der Auferstehung die Todtenwelt,
So sehn' ich mich dir entgegen.
Ich muß zu dir, muß bei dir sein,
Einathmen und fühlen dein Leben,
Dein Blick ist wie Thau und Mondenschein
Der Nacht meines Lebens gegeben!
Einlösen kannst nur du allein,
O Mädchen, den Schuldschein des Glückes,
Mit den Lippen und Küssen dein,
Mit den Diamanten deines Blickes.
O lös' ihn ein! Der Himmel selbst hat ihn
Mir an dich gestellt,
Weil reicher an Reizen und holdem Sinn
Kein Wesen auf der Welt.
Lös' ein, und mit einem einzigen Kuß
Gib so viel Glück Einem Mann,
In dessen göttlichem Überfluß
Sich eine Schöpfung berauschen kann.
Denn was da kommt von dir, von dir,
Sei's Kuß, Blick, Hauch oder Wink,
Es wird zum schaffenden "Werde" in mir,
Es erregt, belebt, erweitert den Ring
Meines Lebens, meines Willens, meiner Kraft:
Es gibt Begeisterung und Stärke,
Und läßt Entschlüsse riesenhaft
Gedeih'n zum vollendeten Werke.
Du des Morgens in meinem Gebete,
Des Tages du mein Handeln und Thun,
Du mein Glück bei des Abends Röthe,
Du mein Wunsch zu Nacht, wenn alle ruh'n:
Du Stundenmaaß meines Lebens,
Das ich nur nach deinen Küssen zähle,
Hafen und Segel meines Strebens,
Himmel meiner Seele!
Hin schreib ich's auf weiche Lilienblätter
Mit zartem Nachtigallenblut,
Auf die finstere Wolke der Wetter
Mit rother Blitzesflammenglut,
Hin schreib ich's in's ewige Buch der Götter
Mit kühnem entschlossenem Muth:
Ich liebe dich ewig!
Und auf dem Lilienblatt das Blut der Nachtigall
Erwacht noch einmal zum Leben und Schall,
Und lispelt nach die Worte
Gleich einem Engelakkorde.
Und in der Wolke die Schrift der Flammen
Zaubert die brausenden Donner zusammen,
Die rufen mit ehernem Echomunde
Hinab in die Welt des Gelübdes Kunde;
Und vor dem Götterbuche mit meinen Zügen,
Da steht ein Engel mit stillem Vergnügen;
Er sieht, er staunt ob meinem Wagen,
Dann lächelt er mild, als wollt' er sagen:
Erfüllst du, wozu du dich hier verbunden,
So hast du auf Erden den Himmel gefunden.
aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer