Klage eines verliebten Schäfers über die untreu seiner Phyllis

Es fieng ein schäfer in zu klagen,
Wie seine liebste Phyllis ihn
Noch lieb gehabt vor wenig tagen,
Und nun geschlossen aus dem sinn,
Auch ihren schönen krantz von myrthen
Gegeben einem andern hirten.

Er senckt ins graß die müden glieder
Bey einer silber-klaren bach,
Und warff da stab und tasche nieder;
Sein irden trinckgeschirr zerbrach,
Verflucht auch seine wald-salmeyen
Und fieng erbärmlich an zu schreyen:

Nunmehr werd' ich doch nimmer singen
Ich dancke meinem leben ab!
Für dich, o süsses seitenzwingen,
Erwähl ich mir ein todten-grab,
In welchem ich auch noch vor morgen
Wil schliessen alle pein und sorgen.

Ihr sternen, ewig‘ himmels-liechter,
Die ihr den kreiß der welt durchrennt,
Seyd zwischen mir und Phyllis richter!
Erwegt es bey euch und erkennt,
Ob ich mit recht mein junges leben
Umb ihrentwillen auff sol geben.

Hab ich sie nicht wie meine seele,
Ja noch viel hertzlicher geliebt,
So sey auch in des grabes höle,
Was mich viel mehr als jetzt betrübt;
Hab' ich ihr nicht mein hertz verpfändet,
So werde nie mein leid geendet!

Ihr hirten, die ihr ferne weidet,
Ihr ficht- und linden-bäum alhie,
Ihr quellen, die ihr unterscheidet
Hier zwischen mein- und jenem vieh,
Ihr könnet, wollet ihr nur, zeugen,
Wie ich gewesen ihr leibeigen!

Ich habe meiner selbst vergessen
Und einig nur auff sie geschaut,
Bin schlaffloß manche nacht gesessen,
Erfrohren gar und naß bethaut,
Und nur gespielt, daß ich für allen
Ihr möcht' im hertzen wolgefallen.

Was ich je gutes hab' erzwungen,
Ward ihr zu ehren angewandt,
Ihr hab ich es zu gut gesungen,
Was von mir in der welt bekant;
Mich liebten andere schäferinnen,
Sie aber war nicht zu gewinnen.

Man schau' auff mein' und ihre heerde,
Was für ein grosser unterscheid
Darunter doch begriffen werde,
Und dieses in gar kurtzer zeit,
Weil ich nur ihr vieh außgetrieben,
Mein eigenthumb nie können lieben.

Was hab ich mir nicht unverdrossen
Entzogen und ihr zugesteckt?
Sie hat stets meiner milch genossen,
Mit meiner wolle sich gedeckt;
Daß sie nur möchte zierlich prangen
Bin ich offt nackt und bloß gegangen.

Für meine treue dienst' und gaben
Werd' ich nun also abgelohnt,
Daß frembd' auff meinem acker graben,
Ein böser gast mein reich bewohnt;
Mein feld, das mir solt' ewig bleiben,
Das seh' ich andere betreiben.

Was wil ich armer aber machen?
Ich lass' es jetzt also geschehn,
Doch, wie sie vorsteh' ihren sachen,
Das wird sie selbst in kurtzen sehn;
Der frevel so untreuer thaten
Pflegt selten glücklich zu gerahten.

Nicht, daß ihr unglück und verderben
Mich kützeln und ergetzen solt'!
Ach nein, und muß ich jetzt gleich sterben,
So bin ich dennoch Phyllis hold;
Solt' ich ihr jetzt was böses gönnen,
So hett' ich nie recht lieben können.

Ich wünsch' ihr noch vielmehr daneben
Daß sie in steter lust und ruh
Mit ihrer heerde möge leben
Und nehm' an lieb' und gütern zu!
Aus diesem allen aber scheinet,
Wie sie's bißher mit mir gemeynet!

Mich jammert, wenn ich muß bedencken,
In was für unglück sie sich stürtzt,
Wie hefftig sie es noch wird kräncken,
Daß sie mir jetzt mein loben kürtzt!
Ich weiß, sie wird noch im gewissen
Viel meinetwegen leyden müssen.

Was aber heuff‘ ich meine schmertzen?
Mein ernster vorsatz ist der tod,
Die endschafft meiner müh' im hertzen,
Die grabstät aller pein und noht;
Was ich mir gäntzlich vorgenommen,
Dem kan und wil ich nicht entkommen.

Gehabt euch wol, ihr berg‘ und felder,
Mit eurer wol-begrünten zier,
Ihr quellen, felsen, püsch' und wälder,
Ihr wilden und ihr zahmen thier',
Ihr wiesen, reich an klaren bächen!
Kein mensch sol mich mehr sehn und sprechen.

Hierüber ward der tag geschlossen,
Die sternen gaben keinen schein,
Ein dick gewölck kam auffgeschossen
Und hieß den mond gantz finster seyn,
Es blitzet' aber ungeheuer,
Die wälder stunden wie im feuer.

So bald Aurora nun beym zügel
Die sonn' einführt‘ und eylte fort,
Hat man nur einen grabes-hügel
Gemercket an demselben ort,
Mit frischen rosen überschüttet,
Da er der schaafe vor gehütet.

Kein schäfer war da zu erfragen,
Die heerde nahm sehr ab und starb,
Die bäume fiengen an zu klagen,
Das graß sanck nieder und verdarb,
Die bäche scheineten mit thränen
Nach ihrem schäfer sich zu sehnen.

Nicht weit davon stund eine linde,
Viel höher als die andern bäum',
An esten reich, in derer rinde
War eingeschnitten dieser reim:
Hie liegt der schäfer her begraben,
Den Phyllis nie recht lieb wolt‘ haben.

Wol dem, der sich der lieb' entschläget,
Und thut, was ihm vertrauet ist!
Wol der, die ein gut hertze träget,
Die ohne wanckel, schein und list
Dem, welcher sie von hertzen liebet
Gantz ungefärbet sich ergiebet!

Collection: 
1876

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