Am Kamin

Das jüngst noch sie und mich beschien;
Ich träum' und kann es nie vergessen,
Wie anders damals wir gesessen.

Hier stand der Stuhl, auf dem ich saß
Und ihr mein letztes Liedchen las,
Ihr Spinnrad dort, mit Flachs am Rocken,
Nicht goldiger als ihre Locken.

Vom Feuer ging ein warmes Licht
Auf ihre Arme, ihr Gesicht,
Und lange, schwarze Schatten fielen,
Um lustig an der Wand zu spielen.

Ergriff' ich dann die fleiß'ge Hand,
Hui, wie das Rädchen stille stand,
Die Funken im Kamine sprühten,
Die Lippen und die Augen glühten!

Und zog ich sie auf meinen Schooß,
So brach das helle Brennen los;
In spitzen Zünglein schlugen Flammen
Vom Herd empor und dicht zusammen.

Nun sitz' ich wieder am Kamin,
Doch aus ist aus, und hin ist hin!
Kein Rädchen schnurrt, kein Liedchen flistert,
Das Feuer selbst nur traurig knistert.

Zerstreute Funken kriechen stumm
Und träg' im feuchten Holz herum,
Und als ich nach dem letzten hasche,
Erlischt er plötzlich; Alles Asche!

Aus: Franz Dingelstedt's Sämmtliche Werke
Erste Gesammt-Ausgabe in 12 Bänden
Siebenter Band Zweite Abteilung
(Lyrische Dichtungen Erster Band)
Berlin Verlag von Gebrüder Paetel 1877

Collection: 
1877

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Wenn ich vorübergeh';
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Mein Auge plötzlich sich verstrickt!
Ich dachte dich in weiter Ferne,
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Entfernt von allen andern,
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...