Nachtgespenst

     

Ich lag in holden Traumes Bann:
Blau durch die Scheiben quoll
Des Mondes Licht und überrann
Die Wände zaubervoll;
Und schuf im Nu ein Märchenland,
Der Sehnsucht lockend nah –
Was jemals ich begehrt, es stand
In seinem Schimmer da;
Ein Schritt nur – und ich schwelgte d’rin!
Ein Griff – und es war mein!
Und schwindelnd fuhr’s mir durch den Sinn:
„Das Glück! Nimm’s, es ist dein!“
Da schlich sich an mein Lager sacht
Ein bleiches Grau’ngesicht,
Mit Augen, trostlos wie die Nacht,
Wenn sie kein Stern durchbricht;
Mit Händen, eifrig, grabesschwer
Und lastend, hart wie Erz,
Und diese Hände preßte er,
Der Unhold, mir auf’s Herz;
Bis Wunsch und Kraft und Wille floh
Und starb in dumpfer Ruh’,
Dann nickte er: „Ich will es so!
Nun Menschlein – träume zu!“

Collection: 
1892

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Zwei große Menschen schritten diese Pfade
Und oft steh'n Beide jäh mir vor dem Sinn:
Tasso, der Dichterfürst von Gottes Gnade,
Und Friedrich  Nietzsche .......

Leicht neigst du das Haupt und auf ernster Stirne
Thront gebietend dir der Vollendung Höchstes:
Edle Menschenanmuth mit Götterwürde
Machtvoll sich einend!

Seiendes verschmilzt so in deinem Wesen
Mit dem Götterdrang, der von Ewigkeit her
Mystisch sich...

Wie feuerflüssig Sonnenlicht
Fühl ich’s durch’s Herz mir rinnen –
Ich forsche nicht, ich klage nicht,
Will träumen nur und sinnen!

Wie diese Zauberfäden mir
Des Willens Kraft umspinnen,
So eng, so kosig und so wirr –
Da giebt es kein Entrinen...

Wack’rer Mann! Schon früh am Morgen
Öffnet er die Ladenthür,
Räumt, als trüg’ er schwere Sorgen,
Keuchend sein Geräth herfür:
Erst den Dreifuß, dann die Zange,
Ahle, Schusterkneip und Zirn,
Oft auch steht und sinnt er lange,
Oder reibt sich...

Vor uns her
Trottet der Führer: schwatzend
Und wiederkauend, ein kläglich-drolliger Staarmatz,
Den Noth und Hunger Weisheit gelehrt!
Ich aber –
Ich lausch’ ihm nicht: was sollen mir Namen, wo
Das Schicksal riesengroß sich eingezeichnet,
Und...