Es kniet der Schwarm in Tempeln und bittet um
Gedeihlich-langes Leben und Wohlergehn,
Um täglich Brot und Sättigung und
Gnade des Himmels in Fährlichkeiten.
Ich aber flehe: Gebet, o Götter, mir
Schönheit der Seele, leihet mir reichen Geist,
Schenkt heil'gen Sinn, mein Innres läßt's dem
Ew'gen und Schönen ein rein Gefäß sein.
Nachzitternd lausche gerne die Seele mir
Den Götterstimmen, welche der Welt Tumult
In Ton und Bild und Lied und Waldgrün
Holder Beseligung voll durchklingen.
Und Eins noch: Stillet, Götter, des Herzens Drang,
Gebt Menschen, Menschen mir, die ich lieben kann;
Ein Possenspiel, ein sinnlos-leeres,
Scheint mir das Leben, dem Liebe fehlet.
Nicht Liebe zollen kann ich dem Alltagsschwarm,
Den Menschen, die des Namens mit nichten werth,
Die, treu der Nüchternheit, seellosen
Blickes des Endlichen Pfade wandeln.
Nur schlechter Abfall sind sie der Menschenart,
Die Tausendlinge, die aus der Urkraft Born
Natur muthwill'gen Sinns emporschnellt,
Gleich wie des sprudelnden Springsquells Tropfen.
Gebt Menschen mir, groß, edel und hellen Geists,
Die nicht der Traum des Irdischen ganz befängt,
Aus deren Aug' mich rührend anspricht
Götterverwandtschaft und Erdenfremdheit.
An ihrer Brust laßt ruhen mich still und gut,
Dem Ird'schen fern laßt denken und lieben mich:
Des Geistes voll und heil'ger Liebe
Reif' ich vollendetem Sein entgegen.
Aus: Gedichte von Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890