Liebeslied

Bist du bedroht, so bin ich selbst verloren,
dann weiß ich erst, wie uns die Liebe eint;
hat sich das Schicksal wider dich verschworen,
so hat es mein Verderben auch gemeint.
Nah beieinander standen die Gestirne,
die dich und mich entsandten in die Welt.
Der Nachtgedanke hinter meiner Stirne
ist deinem Traume innig zugesellt.
Was dich jetzt ängstet, muß auch mich bedrängen,
wie mich beglücken wird, was dich beglückt:
das gleiche Schwert wird überm Haupt uns hängen,
der gleiche Kranz auch, der uns schließlich schmückt.
Erinnre dich des Vierblatts, das wir fanden,
daß eine Lust erblühte jedem Jahr,
wieviel Gefahr gemeinsam wir bestanden,
wie oft die Furcht vor Bösem grundlos war.
Wenn wir verzweifeln wollten und verzagen,
im letzten Augenblick war alles gut,
beschenkte uns mit wieder leichten Tagen
der Cherub, der uns ungern Schlimmes tut.
Auch jetzt wird er das Schwerste dir ersparen,
bringt er dich sicher durch die dunkle Schlucht,
wie wir dereinst auch wieder selig waren
trotz Krieg und Todesdrohung, Not und Flucht.
Du mußt dem Engel, der dich schützt, vertrauen:
er ist der gleiche, der auch mich betreut,
er wird uns eine neue Heimstatt bauen,
daß die verlorene uns nicht mehr reut.
Dann sind wir wieder sommerlich gebettet
im Duft der Wiesen, wenn der Mond erscheint.
Du bist erlöst, so bin auch ich gerettet,
weil ewig uns der Liebe Schicksal eint.
(Band 2 S. 439-440)
_____

Collection: 
1986

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