O Kummer, nicht die Liebe zeigen können,
die einer für den andern in sich trägt,
sich selber nicht die schönste Stunde gönnen,
wenn heiß mein Herz nur für das deine schlägt!
O Kummer, wieder unbeholfen schweigen,
wenn so beredt die Sehnsucht in uns drängt,
das Wunder ihrer Zärtlichkeit zu zeigen,
und doch die Last an jeden Schritt sich hängt.
O Kummer, innerlich vor Lust verbrennen -
und keiner kommt aus seinem Winter fort!
Wie gerne gäben wir uns zu erkennen,
und finden beide nicht das Zauberwort.
O Kummer, unsre Zeit verrinnen spüren,
und dennoch wird das einzige Glück versäumt,
es blüht so nah mir hinter diesen Türen,
die man zu öffnen stets nur träumt!
Und auch im Traume bleibt man auf der Schwelle
als einer, der das letzte niemals wagt.
O Leben: Welle strömt hinab und Welle,
und das Erschütterndste bleibt ungesagt.
O Leben, wo uns Götter nie vergönnen,
daß die verlorne Stunde wieder schlägt!
Ob Tote sich die Liebe zeigen können,
die einer für den andern in sich trägt?
(Band 2 S. 57)
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