Klagen des Getrennten

An Iduna

Der Freude Bilder lachen
Auf neubelebter Flur
Beym herrlichen Erwachen
Der schlummernden Natur;
Doch, nun dem schönsten Triebe
Sich alle Herzen weih'n,
Bin ich mit meiner Liebe
Verlassen und allein.

Ach, rings auf jeder Stelle,
Wo ich mit dir geweilt,
Dort, wo des Thälchens Quelle
Durch Blumenmatten eilt,
Und wo mich ernste Schauer
Umweh'n im Tannenhain,
Bin ich mit meiner Trauer
Verlassen und allein.

In jenen Abendstunden,
Wo ich die liebste Rast
In deinem Arm gefunden
Nach schwüler Tageslast,
Wo dir mein Herz geschlagen
Im seligsten Verein,
Bin ich mit meinen Klagen
Verlassen und allein.

Im fluthenden Gewimmel,
Wo rings nun früh und spät
Sich unter freyem Himmel
Das junge Volk ergeht,
Bey ihren muntern Scherzen,
In ihren frohen Reih'n,
Bin ich mit meinem Herzen
Verlassen und allein.

Wenn bey der Thoren Spiele,
Beym Glück der Hinterlist
In traurige Gefühle
Mein kämpfend Herz zerfließt,
Bey all den Wehmuthsscenen,
Die sich so oft erneu'n,
Bin ich mit meinen Thränen
Verlassen und allein.

Wie lange sucht vergebens
Dich noch mein düst'rer Blick?
Die Sonne meines Lebens
Kehrt erst mit dir zurück.
Auf allen meinen Pfaden
Erlischt der milde Schein.
Ich bin, mit Gram beladen,
Verlassen und allein.

Aus: Gedichte von Christian Ludwig Neuffer
Stuttgart bei J. F. Steinkopf 1805

Collection: 
1829

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