Du bist ein wunderliches Kind!
Du willst es mir im Ernste klagen,
Verdrießen könnt' es dich und plagen,
Wenn um uns andre Freunde sind,
Und wenn des Brauches enge Schranken
Festketten unsre Glutgedanken?
Nein! Erst in deiner Gegenwart
Fühl' ich den Geist mir aufgeriegelt,
Der Rede Silberquell entsiegelt,
Entdeckt mein Gold, sonst tief verscharrt -
Und sollt' ich dieß mein Bestes können
Getreuen Freunden ganz mißgönnen?
Wenn still dein Fuß auf meinem ruht,
Dein Haupt mich heimlich grüßt mit Nicken,
Und aus den klugverhohlnen Blicken
Hervorblitzt tiefer Minne Glut:
Da hab' ich's erst so ganz empfunden,
Daß mein du bist zu allen Stunden!
Aus: Gedichte von Gottfried Kinkel
Sechste Auflage Stuttgart und Augsburg
J. G. Cotta'scher Verlag 1857