In stiller Dämmerstunde,
O Liebste, denk' ich dein;
Es perlt im Herzensgrunde
Mir der Erinn'rung Wein.
In diesem halben Schimmer,
Vom Tag nicht mehr belauscht,
Hast du mit mir ja immer
Der Liebe Lust getauscht.
Aus dieser Büsche Düster
Ringt sich ein Säuseln los -
So hört' ich dein Geflüster,
Mein Haupt auf deinem Schooß.
Es brennt auf meine Wangen
Durch's Laub des Abends Glut,
Wie gestern voll Verlangen
Die deinen dort geruht.
Im Busen tief beklommen
Hör' ich des Herzens Schlag,
Wie ich ihn da vernommen
Als ich an deinem lag.
Die Lippen mir ein lindes
Erbeben süß durchzückt;
Die langen Küsse sind es,
Die du auf sie gedrückt.
Doch still ist's in der Runde,
Und ich bin, ach, allein -
In weicher Dämmerstunde
O Liebste, denk ich dein!
Aus: Gedichte von Gottfried Kinkel
Sechste Auflage Stuttgart und Augsburg
J. G. Cotta'scher Verlag 1857
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