Ihr flücht'gen Zeilen, hin zu ihr!
Doch was habt ihr zu sagen?
Nah ist die Stunde noch, da wir
Uns in den Armen lagen.
Wir sprachen's aus mit manchem Kuß,
Mit Herz an Herzen Drücken,
Wie wir im Liebesüberfluß
Einander hoch beglücken.
O zaubersüßer Liebestod,
O heil'ge Macht der Minne!
Sie kennt nicht Weigern noch Verbot,
Ist wie ein Kind an Sinne,
Das stets zu geben ist bereit,
Was Mutter ihm geschenket,
Das ohne Harm und ohne Neid
Nur mitzutheilen denket.
Wie du an dieser Brust geruht,
In diesen Arm gesunken,
Das klopft mir noch durch's junge Blut
Und hält mich selig trunken!
O fort dieß Blatt, ich mag es nicht,
Daß es mein Glück mir spiegelt!
Wie möcht' auch künden ein Gedicht,
Was heiß der Kuß versiegelt?
Aus: Gedichte von Gottfried Kinkel
Sechste Auflage Stuttgart und Augsburg
J. G. Cotta'scher Verlag 1857