Du siehst das schönste Leben
Und fühlst unendlich tief
Den Reiz den Er gegeben,
Der es zum Lichte rief.
Bewegt von deinem Muthe,
Gerührt von deinem Glück,
Antwortet dir die Gute
Mit gleichem Liebesblick.
Doch des Geschickes Wogen,
Sie fragen nicht nach dir,
Sie sind herbeigezogen
Und reißen dich von ihr.
Und seelenlose Pflichten
Gebieten kalt und hart
Entsagen und Verzichten,
Es herrscht die Gegenwart.
Mit allen Himmelsgaben
Ist deines Lebens Zier
Begraben; doch begraben
Im Herzen, tief in dir!
Ein Strahl erweckt sie wieder
Mit zündender Gewalt,
Und liebend schaut sie nieder
Die herrliche Gestalt.
Vergangne Wonnen gähren,
Bewältigen dein Herz,
Vom Auge rinnen Zähren
In Seligkeit und Schmerz.
"Und solltest für das Leben
Du nicht die Meine sein,
Du bist mir doch gegeben -
In ewiger Liebe mein!"
Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857