Herbst-Lied

Jetzund heben waldt und feldt
Wieder an zu klagen,
Denn es wil die grimme kält'
Alle lust verjagen;
Boreas pfeifft, saust und ruft
Hin und wieder in der lufft,
Fellet alle blätter
Durch sein strenges wetter.

O, wie wol pflag mir zu sein,
Wann mich bey den bronnen
Venus deckte vor dem schein
Und dem feur der sonnen,
Wenn ich alles kummers loß
Lag in ihrer zarten schoß,
Wann ich alles tichten
Pflag auff sie zu richten.

Manchen schönen verß hat sie
Selbst mir vorgeschrieben,
Amor hat mit mir alhie
Offt die zeit vertrieben;
Er warff seinen köcher hin
Sampt dem bogen in das grün
Und saß bey mir nieder,
Hörte meine lieder.

Ich sang, wie vor seiner list
Jedes muß erliegen,
Wie sein reich und himmel ist
Über alles siegen;
Venus sagt', Adonis pein
Solte mein getichte sein,
Dem sie sich ergeben,
Eh' er kam umbs leben.

Ich empfing davor von ihr
Einen krantz von myrten,
Hiedurch brach mein lob herfür
Unter allen hirten;
Amor aber vor sein theil
Drückt‘ in mich ein scharffes pfeil,
Dessen ich noch schmertzen
Fühl‘ in meinem hertzen.

Galathee, du preiß und ehr
Aller schäfferinnen,
Dich must' ich je mehr und mehr
Damals lieb gewinnen!
Ach, wie manche lange nacht
Hab' ich schlaffloß hingebracht,
Und dir, o mein leben,
Mich zu dienst‘ ergeben.

Meiner herde hab ich nie
Wegen dein geachtet,
Und nur dir mit höchster müh'
Immer nachgetrachtet,
Ja, es steht anjetzt noch kaum
In dem wald ein einig baum,
Da nicht ist beschrieben,
Wie ich pflag zu lieben,

Biß sich Venus mir versprach
Hülffe zu gewehren;
So genaß ich allgemach.
Meiner augen zehren
Wusch sie ab mit eigner hand
Und verleschte meinen brand,
Heilte meine wunden,
Die ich hatt' empfunden.

Sonsten war mein auffenthalt
Nirgends nicht zu finden,
Als nur durch den grünen waldt
Bey den hohen linden;
Ein schön quell, ein frisches graß
Liebet' ich ohn unterlaß,
Da ich dan gesungen,
Daß die bäum' erklungen.

Aber nun der nordenwindt
Alles hin wil reissen
Und mit schnee und frost beginnt
Umb sich her zu schmeissen,
Muß in höchster traurigkeit
Ich verbringen meine zeit,
Weit von solchem leben,
Das uns wälder geben.

Doch, Atmithas, wer, wie du
Sich so wol versehen,
Und ergreifft die süsse ruh,
Der lest immer wehen
Alles wetter zu ihm ein,
Nichts mag ihm beschwerlich sein,
Mitten in den winden
Kan er ruhe finden.

Darumb muß dich jederman
Für glückselig halten;
Wer so liebt, derselbe kan
Kaum im tod' erkalten.
Rechte treue liebe macht
Hitz' aus kälte, tag aus nacht,
Kehret alles leiden
In gewünschte freuden.

Collection: 
1876

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