1.
Um unsre Plätze ist ein heilig Schweigen,
Und unsre Flüsse hält ein großes Stocken,
Von unsern Bäumen tiefes Niederneigen,
Und in den Lüften zittern wirre Glocken.
Ich schreite einsam zu den weißen Steinen
Und lasse rote Flammen aufwärts schlagen,
"Du bist gegangen", soll es weithin sagen,
Und zu mir tritt ein grenzenloses Weinen.
2.
Die Stätte, da du morgens sorgend fragtest
Um meinen Frieden und um meine Freuden,
Sie muß ein stummes Heiligtum bedeuten,
Ich will nicht wieder sie betreten.
Und erst wenn Jahre kamen, Jahre gingen,
Soll mir ein Enkelkind die Blumen grüßen,
Die still da überall Erinnerung sprießen
Und mir von ihnen Flüstergrüße bringen.
3.
Vorabend war's, der lange bang geahnte.
Wir mußten unsre letzten Gänge machen
Und schritten so in lieben sich verlieren.
Wir konnten einer noch den andern spüren,
Die Sonne gab ein letztes leises Lachen,
Das sich durch dunkle Zweige zu uns bahnte.
Dann standen wir an irgend einem Orte,
Und lehnten uns an Starkes, uns zu halten;
Wir wußten um den Abschied keine Worte.
Und hatten nur ein großes Händefalten.
4.
Es lag wohl auch in deinen schlanken Gliedern
Das Lied, das meine Seele trunken sang.
Wenn Abendläuten über Erde klang,
Mußt ich dir deinen Händedruck erwidern.
Dann dacht ich das: Wer solche Hände
Doch einmal weich um seinen Nacken fände.
5.
Wir spielten König einst und Bettlerin,
Ich sprach von meines Reiches Macht und Weite,
Und wie es täglich größer ward und mehr verstanden,
Du schrittest träumend zögernd mir zur Seite.
Ich aber schwieg und lächelte im Stillen,
Wie eigenlos ich war in deinen starken Banden,
Und wie das ganze ging nach Deinem Willen;
Wir spielten Bettler einst und Königin.
6.
Vorm Regen traten wir ins dichte Laub des Sommers,
Bei einer Eiche standen wir und blieben ruhig.
In deinen Haaren troff das Wasser,
Dunkel sank die weiche Flut dir auf die Schultern.
Und wie ich darum bebte, sprachst du helfend:
Wie unsre Seele nur im Großen Klaren atmen!
7.
Ich habe dir für Tausende zu danken,
Auch für dein gutes lächelndes Vergeben.
Ich werde ewig deinem Dienste leben
Und daran, daß ich dich gegeben, kranken.
Zum Wahlkampf standest du und meine Seele,
All deine Herrlichkeit und all mein Dichten.
Du selber sagtest todesmutig: Wähle,
Und wußtest: Wählen heißt, auf dich verzichten.
Aus: Carl Sternheim Gesamtwerk
Band 7: Frühwerk
Herausgegeben von Wilhelm Emrich
Hermann Luchterhand Verlag Neuwied am Rhein, Berlin 20 1967