Abends dann, wenn milde Sommerluft
All die Welt in laue Mattheit wiegt,
Sich mein heißgeliebtes junges Mädchen
Fest in fremden Mannes Arme schmiegt.
Abends dann, wenn milde Sommerluft
Schmeichelnd, säuselnd über Gräbern ruht,
Tobt in meinen kalten, toten Adern
Heiß und sehnend wild das Blut.
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Und von seinem Arm umschlungen
Trittst du an mein blühend' Grab.
Schaust verschämt, verliebt und lächelnd
Auf mein Bett herab.
Pflückst für deinen jungen Buhlen
Eine rote Blume sacht.
Und er küßt dich auf dein Mündchen,
Und sein Herze lacht.
Und ich lach' im Grabe drunten
Und bin närrisch, toll vergnügt,
Wie so weise, so vorzüglich
Alles Gott gefügt.
Aus: Carl Sternheim Gesamtwerk
Band 9: Unveröffentlichtes Frühwerk II
Lyrik Dramenfragmente Prosa
Herausgegeben von Wilhelm Emrich
Hermann Luchterhand Verlag Neuwied am Rhein, Berlin 41 1970