Erich

Ihn auch will ich preisen und benedein,
Den du jetzt mehr liebst, als mich: den Andern!

Ihn, zu dem deine Gedanken wandern,
Wenn du in meinen Armen ruhst - - -

Er muß wohl schön und gut sein,
Da du ihm so Liebes tust.

Er muß schöner sein und besser
Als ich armer Mann,
Da du mich vergessen konntest über seinen Küssen.

- Manche Mädchen lieben ja Neger und Feuerfresser,
Manche vergessen den Treusten bei Nelken und Nüssen.
Bei irgend etwas zum Naschen oder zum Schmücken,
Bei eines Papageien Buntheit oder eines Pferdes Rücken ..

Ich bin der, der dich nie vergessen kann
Und trägt in seiner Brust dein Messer!

Nur dann und wann in den Gassen,
Abends, wenn die elektrischen Lampen brennen,
Seh ich einer von den blassen Ladenmädchen
Vielleicht verliebter und zärtlicher unter den Hut
Und fühle, wie meine Zunge sich durch die Lippen drängt
Und meine Träume sie unbewußt "Geliebte" nennen.
Aber mein Herz und mein Tiefstes hängt
Immer an dir und weiß kein Trennen! -

Er muß wohl schön sein und tapfer und gut,
Blühender rauscht wohl sein junges Blut,
Als mein welkes fließt, das dich bebend umfängt ...

Nun ist keine Stelle
An deinem heiligen Leibe mehr mein,
Keine gehört mir ganz allein,
Keine ist die Schwelle
Zu einem ganz seltnen und heimlichen Glücke,
Immer führt zu ihm ein Brunnen und eine Brücke.

Er muß wohl schön sein!
Seine Hände sind wohl stärker als die meinen,
Er ist einer von den Blondgelockten, Reinen,
Deren Sinn noch nicht die Brunst verwirrte,
Der noch nicht zu Dirnen sich verirrte
In verlornen Nächten, und sein Weinen
Klingt wie Kinderweinen und hell sein Lachen,
Furchtlos blickt er, wie der Ritter mit dem Drachen,
Und ein Lilienfeld blüht morgens sein Erwachen.
Wenn er bittet, kann er seine Hände falten
Wie sehr junge Mönche, aber wenn er zornig ist, so halten
Sie den Stab ganz stolz, und marmorn strahlt sein Antlitz
im Erkalten.

- Was sind meine schwachen
Wehen, welken Hände, meine alten,
Welk von jeder Wollust, greis von jeder Pein ... -

Er muß wohl schön sein!
Sein Körper ist wohl wie eine Gerte,
Wie ein Florett, das sich blitzend biegt,
Wenn er an deine Hüften sich schmiegt,
Weißt du: Hier ist der sichre Gefährte,
Der Verheißene, Wunderwerte,
Der über die steilsten Stürme siegt!

Seine Augen haben noch nichts Schlimmes erblickt,
Froh und frei schauen sie in die Weite,
Kein Schluchzen hat seine Stimme erstickt,
Ihm hat keine Macht einen Fluch geschickt,
Ihm trabt kein Ekel mahnend zur Seite.

- Wie bin ich von Schuld und von Scham umstrickt! -

Keine Falte grinst weh um seinen Mund,
Er ist weiß wie Schnee und grad und gesund!

Er hat Freunde, aber er braucht sie nicht,
Er braucht auch nicht einen Hund
Oder sonst ein Tier oder Ding, mit dem er spricht,
Denn die ganze Welt steht mit ihm im Bund.
Seine Seele ist ohne Schlacken und rund
Wie ein goldner Ring, und sein Wollen
Gräbt sich lachend das Glück aus harten Ackerschollen.
Er ist wie ein Garten, der blüht,
Er ist noch sehr jung, er kann noch warten.
Er hat keine Visionen und Fratzengesichter,
Wenn er schläft, schläft er ganz ruhig wie ein Jäger
Im Waldesschatten. Er ist ein Mann!
- Aber ich bin ein zerstörter Dichter,
Ich bin der Sünder, der Kreuzesträger,
Ich bin der Matteste der Matten,
Ich bin, der dich nie vergessen kann,
Der dich trägt in seinem verdorbenen Blut,
Der alles verrät und sich selbst um deinen Kuß! -

Er ist wohl schön und rein und gut,
Er muß gut sein - er muß!

Wenn er dich enttäuschen könnte oder mißhandeln,
Deine Güte geißeln oder deine Liebe verkaufen,
Mit deinen süßesten Liebkosungen durch die Märkte wandeln
Und lügende Laster mit deinem Namen taufen,
So müßte ich ihn töten!
Ich könnte es nicht ertragen, ohne zu erröten,
Daß alle stinkenden Mäuler deinen Namen sagen,
Ich könnte es nicht ertragen, daß du um ihn weinst,
Denn du stehst so hoch über uns allen,
Daß noch die kleinsten Spenden, die aus deinen Händen fallen,
Jeden edler machen müssen und vollenden, den du meinst.

Er muß schön sein, weil du ihn mit Gnade bescheinst!
Seiner weißen Kindheit Halle hängt jetzt voller Fahnen,
Auf jeder Fahne flammt dein Spruch
Mit leuchtenden Lettern ekstatisch geschrieben!

Er soll Erich heißen, wie edle Jünglinge in alten Romanen.

- Ich bin ein Fluch und eine Flucht!
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Aber da du ihn liebst, muß ich ihn auch lieben - - -
(Band 1 S. 118-121)
_____

Collection: 
1986

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