Er stellt der Amarillis ihre grausamkeit vor.

 
1.
Wer kan der süßen macht der liebe widerstehn?
Es muß der strenge Mars in ihren banden gehn.
Was ist wol in der welt, das ihr nicht dienen müsse?
Lufft, erd‘ und himmel liebt. So weit die sonne sticht,
Legt ihr ein ieder mensch das herze vor die füße;
Nur Amarillis nicht.

2.
Wer läst der seuffzer schall, so ein getreuer geist,
(Der in der unschuld sich mit angst und kummer speist,)
Aus dürrem munde stöst, ihm nicht zu herzen steigen?
Des himmels starcker zorn, so durch die wolcken bricht,
Läst sich, so groß er ist, durch ach und wehmuth beugen;
Nur Amarillis nicht.

3.
Ein stein wird nach und nach vom regen ausgeschweifft:
Es wird der sternen grimm durch thränen-flut ersäufft.
Die wellen haben offt auch felsen umgeschmissen.
Ein wenig wasser löscht der flammen heißes licht:
Der mensch wird durch die krafft der thränen hingerissen;
Nur Amarillis nicht.

4.
Ach, schöne Grausame! so wilst du mehr als stein,
Und himmel, und dabey ein wilder unmensch seyn?
Laß thränen, lieb und ach doch deinen grimm vertilgen;
Damit der himmel dir nicht dieses urtheil spricht:
Es geh die ganze welt auf rosen und auf lilgen;
Nur Amarillis nicht.
(Theil 5 S. 542-543)

Collection: 
1744

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